Agrippina - Kaiserin von Rom
einer Bestimmung, die ihm von den Göttern gegeben ist.«
»Und deshalb musste der alte Cäsar sterben?«
»Seine Zeit war abgelaufen. Die Götter haben es so gewollt.«
»Ihr habt ihn vergiftet. Die Götter haben nichts damit zu tun. Führt ihren Namen nicht in eurem Munde! Ihr habt schon in Colonia Agrippinensium versucht, das tödliche Gift zu besorgen. Aber das scheint nicht geklappt zu haben. Wahrscheinlich hat euch die alte Locusta geholfen.«
Niger grinste den Tribun unverschämt an. »Du weißt eine Menge, oder besser, du glaubst, eine Menge zu wissen. Übrigens ist diese Dame eine Zellengenossin von dir, sie wohnt drei Zellen weiter.«
»Aber ihr werdet sie nicht umbringen wie mich, denn wahrscheinlich benötigt ihr ihre Dienste auch weiterhin.«
Der Freigelassene ging darauf nicht weiter ein und bemerkte lakonisch: »Wer hat gesagt, dass wir dich umbringen werden? Keine Rede davon! Wenn dir die Götter gewogen sind«, betonte er nachdrücklich, »wirst du leben – und schweigen. Dann magst du in die Ubierstadt zu deiner geliebten Sklavin zurückkehren. Aus demDienst der Garde scheidest du auf Wunsch des Cäsars natürlich auf jeden Fall aus. Stattdessen wirst du als Militärtribun nach Colonia Agrippinensium versetzt und deine eigentliche Aufgabe zu Ende bringen, den Aufbau der Vigiles. « Er schwieg einen Augenblick und sah den Tribun nachdenklich an. Dann fuhr er mit leiser Stimme fort: »Dein Schicksal liegt in Cäsars Hand. Wenn du Glück hast, wirst du sogar deinen Rang behalten.«
Valerius fand zunächst keine Worte. Dann aber schrie er: »Lüge! Alles Lüge! Es wäre für euch viel zu gefährlich, mich leben zu lassen, bei all dem, was ich weiß.«
»Was weißt du denn, Tribun?« Tullius Torquatus Niger lächelte ihn süffisant an. »Nichts weißt du, und Beweise hast du schon gar nicht. Du könntest dich mitten auf das Forum Romanum stellen und von der Rostra aus deine haltlosen Vorwürfe herausschreien. Niemand würde dir glauben. Im Gegenteil – der junge Cäsar Nero ist jetzt schon beim Volk so beliebt, dass sie dich steinigen würden. Einen verrückten Narren würden sie dich nennen und mit Schimpf und Schande aus der Stadt jagen.«
Pallas nickte und ergänzte leise: »Und du solltest nicht vergessen, dass in der Ubierstadt eine niedliche kleine Freigelassene auf dich wartet. Möchtest du wirklich, dass sie auf unseren Befehl hin in ein syrisches Lupanar verkauft wird?«
Valerius sackte auf seinem Stuhl zusammen. Sie hatten Recht, mit allem, was sie sagten. Niemand würde ihm glauben, dass man Claudius ermordet hatte. Und außerdem durfte er Dirana nicht in Gefahr bringen.
»Was ist mit Gaius?«
»Dein Freund? Kein Problem.« Pallas lachte. »Er wird seinen Dienst in Novaesium wieder antreten, allerdings unter einem neuen, zuverlässigeren Legaten. Es gefiel uns nicht, dass Cassius Iunius Silanus grundlos versucht hat, die anderen Befehlshaber gegen den neuen Kaiser aufzuwiegeln.«
Das wussten sie also auch schon. Ihr Agentennetz funktionierte offensichtlich reibungslos und schnell, sehr schnell.
»Wir werden dich und deinen Freund noch einige Tage hier behalten, bis sich die Dinge beruhigt haben, dann kannst du gehen. Vorher aber wird die Augusta dich noch sehen wollen.«
Valerius nickte nur. »Was wird aus jenen Leuten in der Ubierstadt, die um euer Geheimnis wussten?«
»Ich weiß nicht, von welchem Geheimnis du sprichst«, sagte Niger, »aber wenn du jene Sekte der Nazarener um ihren verrückten Anführer Maternus meinst, dann kann ich dich beruhigen. Ihnen wird nichts geschehen. Sie waren nur so lange gefährlich, wie sie glaubten, von einer Verschwörung Kenntnis zu haben. Nun, wo sich die Dinge geregelt haben, braucht man sie nicht mehr. Sollen sie nur ihren gekreuzigten Eselsgott anbeten, sie bedeuten keinerlei Gefahr für das Imperium. Im Übrigen gilt für sie dasselbe wie für dich: Niemand wird ihnen glauben. Und bei all den seltsamen Praktiken, die sie ausüben, wird es sowieso besser für sie sein zu schweigen. Wie man hört, töten sie kleine Kinder und trinken ihr Blut. Schauderhaft, so etwas.«
Voller Widerwillen sah Valerius dieser Kreatur der Kaiserin ins Gesicht. Dieser Mann war sehr gefährlich. Viel gefährlicher als Pallas, der in seiner Seele Sklave geblieben war und sich hier für etwas einspannen ließ, das er gar nicht überblickte. Mit Mühe unterdrückte Valerius seinen Zorn und brachte mit zusammengepressten Lippen hervor: »Es gibt vieles, was
Weitere Kostenlose Bücher