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Agrippina - Kaiserin von Rom

Agrippina - Kaiserin von Rom

Titel: Agrippina - Kaiserin von Rom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rolf D. Sabel
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anstrengten. Suchte sie aber Erholung auf dem Lande, so ließ er bezahlte Provokateure auf dem Land- und Wasserwege an ihrem Hause vorbeifahren, die ihr mit Schimpfwörtern und schlechten Witzen nach der Ruhe trachteten.
    Endlich, durch ihre Drohungen und Heftigkeit erschreckt, beschloss er sie umzubringen. Dreimal hatte er es mit Gift versucht, merkte aber, dass sie sich mit Gegengiften zu schützen wusste. Da ließ er die Decke ihres Schlafzimmers so einrichten, dass sie nachts mittels einer Maschinerie über der Schlafenden zusammenstürzen sollte. Als dieser Plan aber durch seine Mitwisser zu wenig geheim gehalten wurde und misslang, erdachte er neue Pläne.
    In der Zeit vom 19. bis zum 23. März wurde im ganzen Land das Fest der Minerva gefeiert. Da lud der Kaiser seine missliebige Mutter mit einem liebenswürdigen Brief dazu ein, das Fest gemeinsam mit ihm in einer Villa in Baiae zu feiern. Ein Schiff wollte er ihr schicken, das sie zu ihm bringen würde ...
    (nach Sueton, »Leben der Cäsaren«)
    ***
    Dezember des Jahres 37 n.Chr.
    Sturm und Regen peitschen die Bäume des kleinen Landgutes in Antium an jenem Vorabend der Saturnalien. In den hell erleuchteten Räumen der Villa herrscht hektische Betriebsamkeit.
    »Es kommt!«, flüstern die Hebammen und bereiten alles für die bevorstehende Geburt vor. Sie wischen den Schweiß von der Stirn der schönen jungen Frau, die da auf ihrem Bett liegt und stöhnt, sie sprechen ihr Mut zu und streicheln vorsichtig über den gewölbten Leib.
    Und die, die sich da in Schmerzen krümmt, ist nicht irgendeine: Agrippina die Jüngere, Tochter des Volkshelden Germanicus und seiner Gattin Agrippina, Urenkelin des göttlichen Augustus und Enkelin des Tiberius, zugleich Schwester des amtierenden Kaisers Gaius Caligula, aus uraltem patrizischem Geschlechte, mit Schönheit und Abstammung begnadet.
    Im sechsten Monat ihrer Schwangerschaft hat sie einen parthischen Sterndeuter um Rat gefragt, und der hat Schreckliches aus den Sternen gelesen: »Du wirst einem Sohn das Leben schenken, der wird Kaiser sein, aber er wird seine Mutter ermorden!« Und die Mutter, nachdem sie sich von ihrem ersten Schrecken erholt hat, hat trotzig ausgerufen: » Necet me, dum regnet – S oll er mich töten, solange er nur Kaiser wird!«
    Diese Worte gehen ihr jetzt durch den Sinn, während die Presswehen ihren Körper martern. Und doch, als die ersten Sonnenstrahlen sanft über die schweißnassen Kissen streichen, ist es geschafft.
    »Es kommt mit den Beinchen zuerst«, bemerken die Hebammen mit Schaudern und auch die eiligst herbeigerufenen Auguren überbieten sich in schlimmsten Prognosen.
    »Ein Geschöpf von Agrippina und mir kann nur ein Scheusal und eine Katastrophe für den Staat sein«, meint der Vater, Gnaeus Domitius Ahenobarbus, lakonisch und hebt den Knaben achselzuckend hoch, um vor aller Welt seine Vaterschaft anzuerkennen.
    Von ihm erhält er seinen Namen: Lucius Domitius Ahenobarbus, aber die Welt wird ihn unter dem Namen Nero kennen und fürchten lernen!
    Entnommen aus: F.W. Putzgers Historischer Schulatlas zur Alten, Mittleren und Neuen Geschichte. Verlag von Velhagen & Klasing, Bielefeld und Leipzig 1927

I.
Agrippinas Agent
    November des Jahres 58 n.Chr.
    Ächzend hängt das Tabernenschild im stürmischen Wind. Nur ein letzter rostiger Metallhaken bewahrt es noch davor, in den weichen Teppich aus glitzernden Schneekristallen herabzustürzen. Die Aufschrift Ad Ursos ist kaum noch zu entziffern, zu lang war das Schild, das noch aus den Zeiten der Feldzüge Cäsars stammen mochte, den Launen von Wind und Wetter ausgesetzt. Der untere Text, der einst in fehlerhaftem Latein »Komfort nach hauptstädtischer Weise« verhieß, ist bis auf wenige Lettern gänzlich verschwunden. Umgeben von schneebeladenen Tannen, ächzt das windschiefe Holzhaus unter seiner Last, die morschen Stämme sind an vielen Stellen löchrig und bahnen dem Zugwind seinen pfeifenden Weg.
    Auf dem Boden vor dem Eingang liegt, verstreut in mehrere Teile und mit dickem Eis bedeckt, die zerbrochene Kupfertafel, die den Gästen einst die Preise nannte:
    Wein 1 As
Brot 1 / 2 As
Fleischbeilage 2 As
Heu für die Pferde 2 As.
Nachtquartier 3 As
    Doch hier hat lange keiner mehr Quartier genommen, und auch die Stallungen haben seit Jahren kein Pferd mehr gesehen.
    Eine bucklige Gestalt, eingehüllt in einen schmutzigen, mottenzerfressenen Kapuzenmantel, humpelt mühsam über den schneebedeckten Boden und tastet sich langsam an der

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