Agrippina - Kaiserin von Rom
landestypische Spezialität gewärmten und gewürzten Honigweins gewöhnt. Dankbar registrierte er, wie das wärmende Nass seine Kehle herunterglitt und sich in seinem Magen ausbreitete.
»Wir sind hier sehr zufrieden mit deiner Arbeit.« Duvius Avitus lächelte ihn freundlich an, während seine kräftigen Finger auf dem Tisch trommelten.
»Die Polizeitruppe ist gut gedrillt und mit Freude bei der Arbeit, obwohl wir ihr doch kaum mehr als eine warme Mahlzeit pro Tag stellen können. Aber immer noch besser, als auf die Gratisrationen am Forum zu warten, nicht wahr? Jedenfalls hat die Kriminalität auf den Straßen deutlich abgenommen, und unsere Bürger fühlen sich offenbar sicherer. So weit, so gut. Nun zu dir. Ich weiß nicht, mein lieber Valerius, was dich damals hierher in die dunklen Wälder Germaniens und diese recht verschlafene Provinzstadt verschlagen hat, und ich will es auch gar nicht wissen. Ich weiß aber, dass du aus dem Dienst der kaiserlichen Garde ausscheiden musstest und in Rom offensichtlich in Ungnade gefallen bist. Gleichwohl bist du mit dieser Tätigkeit hier unterfordert, und ich würde dir gerne höhere Aufgaben zuteilen.«
Er griff zu seinem Becher und nahm einen tiefen Zug, während Valerius überlegte, um welche Aufgaben es sich wohl handeln mochte.
»Aber«, fuhr der Statthalter fort, »ich sitze hier quasi auf gepackten Taschen. Meine Zeit als Statthalter und Oberbefehlshaber läuft ab, und ich werde schon in wenigen Tagen abreisen. Das Weitere wird mein Nachfolger regeln.«
»Nachfolger?«, fragte Valerius neugierig nach.
»Publius Sulpicius Scribonius Rufus, ein tüchtiger Mann. Kennst du ihn?«
»Ich habe von ihm gehört. Hat er nicht vor kurzem zusammen mit seinem Bruder den Aufstand von Puteoli niedergeschlagen?«
»Hat er. Erstaunlich, was sich alles bis hierhin herumspricht. In Puteoli waren zwischen dem Stadtrat und der Bevölkerung gewalttätige Auseinandersetzungen ausgebrochen, der Consular Cassius Longinus war offenbar mit der Situation überfordert. Erst den beiden Scribonius-Brüdern gelang es, mit Hilfe einer Prätorianerkohorte die Lage unter Kontrolle zu bringen. Seitdem gelten die Scribonii im Senat viel. Sie machen alles gemeinsam, sind unzertrennlich. Sie werden auch gemeinsam nach Germanien kommen, Scribonius Rufus wird Statthalter für unser Untergermanien, Scribonius Proculus für Obergermanien. Auch beim Cäsar scheinen sie in hoher Gunst zu stehen, die Götter mögen ihn schützen!«
Er goss ein wenig Wein als Trankopfer auf den Boden und blickte den Tribun nachdenklich an.
»Du siehst, ich würde gerne etwas für dich tun, aber ich kann nicht. Gerne aber will ich meinem Nachfolger ein Empfehlungsschreiben für dich hinterlassen, vielleicht kann Scribonius mehr für dich tun.«
Abrupt wechselte er das Thema. »Wie geht’s der Familie?«
»Oh, danke«, antwortete Valerius überrascht. Noch nie hatte sich der Statthalter nach seiner Familie erkundigt. »Dirana ist wohlauf, und der kleine Titus Valerius wächst und gedeiht täglich. Er ist jetzt drei Jahre alt, und nichts ist vor seinen neugierigen Händen sicher.«
»Kenn ich, kenn ich«, lachte Duvitus Avitus. »Nun gut. Ach, ehe ich es vergesse, der Curator würde dich gerne sehen. Keine Ahnung, was er von dir will.«
Nur ein Stockwerk tiefer hatte der oberste städtische Beamte sein Amtszimmer. Gaius Volturcius Crassus, ehemals Prätor der Ubierstadt, war zwischenzeitlich zum kaiserlichen Curator und damit zum unmittelbaren Vorgesetzten von Valerius befördert worden. Die Männer begrüßten sich wie alte Freunde.
»Setz dich, Valerius. Hat dir der Alte meine Bitte doch ausgerichtet?« Seine Miene wurde ernst, die Stimme nahm einen verschwörerischen Klang an. Er blickte sich um, als wäre der Raumvoller ungebetener Mitwisser. Dann fuhr er leise fort: »Ich will es kurz machen.«
Seine Stimme wurde noch leiser. »Wie du weißt, genieße ich das besondere Vertrauen der edlen Agrippina.«
Valerius nickte schweigend. Seine Finger suchten die Narbe an der Stirn, eine Erinnerung an den Kampf mit den Sugambrern. Dass die Narbe juckte, konnte nichts Gutes bedeuten. Entsprechend gespannt lauschte er den weiteren Ausführungen.
»Nun, du und ich, wir haben nicht immer auf derselben Seite gestanden, wohl wahr. Aber wir sollten die alten Zeiten ruhen lassen.«
Wieder nickte Valerius schweigend. Irgendetwas ging hier vor sich. Was wollte der Mann nur von ihm? Aber schon fuhr Volturcius mit leiser Stimme
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