Agrippina - Kaiserin von Rom
ihrem Fest war«, lachte Gaius und ergriff den Arm des Freundes. Lange hatten sich die beiden nicht mehr gesehen, und beim ersten Wiedersehen hatte Valerius natürlich alles von seinem Aufenthalt in Rom erzählen müssen. Dann hatten sie sich entschlossen, das Keltenfest gemeinsam zu besuchen, und wollten jetzt den Abend in einer gemütlichen Caupona ausklingen lassen.
»Es läuft ganz gut«, antwortete Valerius, »die Männer sind in Ordnung, und die Truppe hat in der Stadt schon einen ganz guten Ruf. Wenn nur erst die andere Sache erledigt wäre.«
»Ich hätte nie gedacht, dass du einmal Agrippinas Agent werden könntest«, schmunzelte Gaius.
»War sie es nicht, die vor Jahren den Auftrag gab, dich zu töten?«
» Recte, doch vergiss nicht, dass sie es auch war, die mich vor Neros Todesurteil bewahrt hat.«
Die Frauen hatten bisher schweigend zugehört. Jetzt wandte Dirana sich an Valerius. »Ich habe den Eindruck, dass dein jetziger Auftrag nicht weniger gefährlich ist als der damalige. Immerhin bist du gestern nur mit viel Glück dem Tod entkommen.«
»Es war nicht so sehr Glück als vielmehr jene kleine Sklavin Thissa, die der launischen Fortuna in die Arme gegriffen hat.«
»Du hast mir noch gar nicht erzählt, wie du in diese gefährliche Situation gekommen bist. Wie kam es, dass du plötzlich in diesem Keller gefesselt aufgewacht bist?«
Wäre es in der Kutsche nicht so dunkel gewesen, hätte Dirana bemerkt, dass ein leichter Anflug von Schamröte über das Gesicht des verlegenen Tribuns zog. Valerius war in diesem Augenblick dankbar dafür, dass sie keine der teureren Kutschen mit Innenbeleuchtung genommen hatten.
»Sie ... äh ... sie haben mir ein ... ein Betäubungsmittel in den Wein geschüttet, irgend so einen orientalischen Saft!«
Damit gab sich Dirana zufrieden. Und auch darüber war Valerius dankbar.
Die Stadtmauern zeichneten sich schon am dunklen Himmel ab, als Dirana plötzlich aufgeregt aus dem Fenster zeigte und laut schrie: »Schaut, es brennt!«
Valerius warf einen schnellen Blick nach draußen. Dirana hatte nicht übertrieben. Der helle Schein des Feuers war weithin zu sehen. Valerius ließ die Kutsche sofort anhalten und stieg aus. Auf der freien Fläche, die sich zwischen Süd- und Westtor vor der Stadt erstreckte, lag ein unheimliches Glühen. Die Wiesen und Felder, durchsetzt mit niederem Gebüsch und kleinen Bäumen, standen völlig in Flammen. Noch aber lagen mehr als fünfhundert Schritt zwischen dem äußeren Rand des Feuers und den Stadtmauern.
»Zur Stadt, Kutscher, im Eiltempo!«
In halsbrecherischer Fahrt erreichte die Kutsche das westliche Stadttor, das bereits in beißenden Rauch eingehüllt war. Hustend und mit tränenden Augen standen die Wächter und bemühten sich um militärische Haltung, als sie Valerius bemerkten.
»Es brennt, Tribun! Schon den ganzen Abend. Erst waren sie ganz klein, die Flammen, dann haben sie sich immer mehr ausgebreitet.«
»Ich sehe, dass es brennt, oder glaubt ihr, dass die Götter mich mit Blindheit geschlagen haben? Was habt ihr unternommen? Habt ihr auf der Statio Bescheid gesagt?«
»Haben wir, Tribun, haben wir. Deine Männer waren schon hier und haben versucht, das Feuer zu löschen.«
»Ja und?«
»Vergeblich, Tribun. Zuerst haben sie versucht, es mit Decken und Sand auszuschlagen. Dann haben sie es mit Wasser versucht.«
»Ja und? Wieso brennt es immer noch?«
»Du siehst selbst, Tribun, der Brand wird immer heftiger. Dein Optio hat gesagt, je mehr man löscht, desto heftiger brennt es. Merkwürdig, nicht wahr? Jetzt wollen sie deine Ankunft abwarten. Sie wissen offensichtlich nicht, was sie noch tun sollen.«
»Gut! Ich werde mich sofort darum kümmern!« Und zu Gaius und den Frauen gewandt rief er: »Ihr müsst ohne mich zur Caupona , die Pflicht ruft! Lasst mir noch etwas Wein übrig!«
Dann bestieg er eines der Wachpferde und ritt im Eiltempo zu seiner Statio.
XVI.
Brennt Colonia Agrippinensium?
Der Frühling hat in Rom Einzug gehalten. Die Menschen haben ihre dicken Wintermäntel weggepackt und flanieren in leichter Bekleidung über die Straßen und Gassen der Stadt. Das Forum und die Subura , die Parks und die Gärten, sie füllen sich wieder mit den Menschen, die die Sonne so lange entbehrt haben. Garküchen und fliegende Weinhändler freuen sich über die gestiegenen Umsätze, während die Kohlehändler mit betrübter Miene herumrennen. Wer braucht jetzt schon noch Kohle für seine wärmenden Becken? Es
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