Agrippina - Kaiserin von Rom
hat schon einmal Jahre gegeben, da hat man bis weit in den April noch tüchtig geheizt, und die Kälte hat manche Sesterze in die Kasse der Kohlehändler gespült, aber dieses Jahr ...
Auch im kaiserlichen Palast hat man die rußenden Kohlebecken weggestellt, denn die milden Westwinde, die durch die offenen Fenster ziehen, wärmen die ausgekühlten Räume genügend. Allenthalben wird geputzt und aufgeräumt, gefegt und geschmückt. Der Kaiser wünscht es so! »Den Frühling begrüßt man in einem gesäuberten Haus«, so sagt er, und die Sklaven sind eifrig bemüht, seinen Wünschen nachzukommen. Trotzdem ist der Kaiser unzufrieden, wenn er durch die geputzten Gänge schleicht.
»Das ist kein Domizil, das eines Kaisers würdig ist«, sagt er ungnädig. Er träumt von einem neuen Palast, größer und schöner als alles, was man in Rom je gesehen hat. Eine Domus aurea – ein goldenes Haus soll es werden, und die Pläne liegen schon auf seinem Schreibtisch. Freilich wird man einige von den alten Bauten abreißen müssen, die jetzt noch im Weg stehen, aber das wird sich schon machen lassen. Und Geld wird man brauchen, viel Geld. Aber wer wird sich schon dem Wunsch des Kaisers entziehen, wenn der um eine kleine Spende für die Privatschatulle bittet? Und sollte das nicht reichen, so gibt es noch andere Wege! Punktum ! Das goldene Haus wird gebaut!
Auf einer prächtigen Liege liegt der Imperator des Reiches und knabbert aufgeregt an einem Stück Brot, das er gelegentlich in eine silberne Schale mit Fischsoße tunkt. Tiberius Claudius Cäsar Nero, der allmächtige Beherrscher der Welt, hat in letzter Zeit trotz aller sportlichen Bemühungen einiges an Gewicht zugelegt. Ihn schön zu nennen, wäre verfehlt gewesen, das Gegenteil aber trifft ebenso wenig zu. Die kupferroten vollen Haare, die er wie ein griechischer Wagenlenker fast schulterlang und in Stufen herabfallend trägt, umrahmen ein volles Gesicht mit blassblauen, leicht kurzsichtigen Augen. Die breite gerade Nase und die vollen Wangen sind mit rötlichen Sommersprossen übersät. Dennoch kann das Gesicht eine gewisse natürliche Anmut nicht leugnen, vor allem, seit er den schmächtigen Bart wieder abgelegt hat. Der Hals ist außergewöhnlich kräftig, fast schon stiernackig. Nero tarnt ihn gerne wie heute durch einen bunten Schal. Das fliehende Kinn und die sinnlichen Lippen mögen für Weichheit und Brutalität gleichermaßen gelten. Der kräftige, aber schon leicht fettleibige Körper ist von mittlerer Größe, der Oberkörper im Verhältnis zu den eher schmächtigen Beinen etwas zu mächtig.
Jetzt rafft er seine kurze grüne Tunica mit dem schrillen Blumenmuster zusammen. Darunter werden dünne, unbehaarte Beine sichtbar. Zornig funkelt er die Männer an, die vor ihm sitzen.
»Na, meine Herren Ratgeber, welchen Rat habt ihr nun für euren göttlichen Cäsar ?«
Die Männer schweigen. Anicetus, der unqualifizierte Bauherr zusammenbrechender Betten, und Gaius Ophonius Tigellinus, den Nero vor kurzem zum Präfecten der Stadtpolizei gemacht hat, schweigen. Seneca und Burrus sind bei dieser Unterredung nicht dabei. Der Cäsar meint, sie für das, was er im Sinn hat, nicht gebrauchen zu können. Er will keine Männer, die ihm sein Vorhaben ausreden, er will solche, die ihm dabei helfen! Und er braucht auch keine Moralhüter, die mit erhobenem Zeigefinger von einem schlimmen Verbrechen sprechen, denn worum es heute geht, ist nichts anderes als Muttermord! Er hat es satt, endgültig satt! Die Vorhaltungen, die Agrippina ihm wegen seines Lebenswandels macht, und der neckende Spott, den er dafür von der geliebten Poppaea Sabina einstecken muss. Und wenn Agrippina nichts sagt,ihn nur einfach klagend anblickt, ist es noch schlimmer! Auch die moralsauren Empfehlungen seines alten Lehrmeisters Seneca mag er nicht mehr hören. Aber diesem Problem wird er sich später widmen. Immer der Reihe nach!
»Nun, meine Herren? Hat es euch die Sprache verschlagen? Dankt man es mir so, dass ich den einen zum Präfecten der kaiserlichen Flotte, den anderen zum Präfecten der städtischen Polizei gemacht habe? Ist Sprachlosigkeit der Lohn für Beförderungen?«
Anicetus räuspert sich. Die schweißnassen Finger verkrampfen sich. Das Ganze ist ihm peinlich, sehr peinlich, denn sein Plan war ein Misserfolg auf ganzer Linie.
»Nun ... Cäsar «, sagt er gedehnt, »ich muss zugeben, die Sache ... äh ... die Sache mit dem Bett war ein ... nun ja ... ein Fehler. Sie muss wohl von
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