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Agrippina - Kaiserin von Rom

Agrippina - Kaiserin von Rom

Titel: Agrippina - Kaiserin von Rom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rolf D. Sabel
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man in den heiligen Quellen abgefüllt hat.
    Gleich werden die in lange weiße Gewänder gehüllten Priesterinnen das Wasser in kleinen Gefäßen über die Äcker sprengen und um Segen, Fruchtbarkeit und guten Ertrag bitten. Auch die Menschen und Tiere, denen sie begegnen, werden mit Wasser besprengt. Am Abend wird dann mitten auf der imposanten Lichtung das heilige Sonnenfeuer auf dem Altar entzündet. Dann werden die Bauern kommen, ihre eigenen Fackeln daran entzünden und sie zurück zu den heimischen Herden bringen. Auf diese Weise gelangt das heilige Feuer in alle Dörfer, alle Häuser, zu allen Menschen.
    Das große mystische Fest hat viele Besucher angelockt, auch solche, die nur aus Neugier gekommen sind. Die Feiernden dulden das – in früheren Zeiten war das anders – und lassen die Neugierigen gewähren. Unter denen, die da andächtig stehen und den Gesängen der Druiden schweigend lauschen, sind auch Valerius und Dirana sowie ihre Freunde Gaius Tullius Eximius und seine Gefährtin Antonia.
    »Ist es nicht furchtbar, wie die Barbaren ihre Götzen anbeten?«, flüstert Antonia.
    »Wieso furchtbar?«, meint Gaius. »Ich kann dabei nichts finden. Sie beten ihre Götter an, wir die unsrigen!«
    »Götzen sind sie alle!«, wispert Dirana, die inzwischen durch den häufigen Umgang mit Maternus schon sehr weit in den christlichenGlauben eingedrungen ist. Das bringt ihr einen tadelnden Blick von Valerius ein, aber sie hebt trotzig ihr Kinn und nickt.
    »Es gibt nur einen Gott, da bin ich inzwischen sicher. Und der hat seinen Sohn auf die Erde geschickt, damit er uns alle von unseren Sünden und Vergehen erlöst.«
    »Und der dann wie ein aufsässiger Sklave am Kreuz hingerichtet wurde. Meinst du den?« Aus Gaius’ Stimme klingt Spott, und Dirana wendet sich verletzt ab.
    Der Gesang der Feiergemeinde ist inzwischen lauter geworden, erfüllt das ganze Tal. Plötzlich geht er in ein monotones Rufen über. Die römischen Gäste brauchen eine Zeit, bis sie verstehen, was da gerufen wird: » men hir ... men hir ... men hir ... men hir ...«
    »Was ... äh, was rufen sie denn dauernd?«, will Dirana wissen.
    Valerius deutet auf einen großen Steinblock, der in der Mitte der Feiernden liegt. Schemenhaft sind die eingemeißelten Umrisse einer Gestalt zu erkennen.
    »Sie rufen ihren Gott an, der in diesem Stein verborgen ist!«
    »Ein Gott in einem Stein?«
    »Nicht anders als ein Gott an einem Holzkreuz, oder?«
    Wieder eine Bemerkung von Gaius, über die Dirana sich ärgert. Wüssten doch ihre Freunde, was sie weiß! Sie würden nicht ihren Spott mit dem neuen Gott treiben!
    »Ihre Götterbilder brauchen keine Kunst«, belehrt Valerius die Umstehenden. »Manchmal ist es ein Baumstamm, an dem nur gerade Kopf und Gesicht herausgearbeitet wurden oder eben ein Stein wie dieser da.«
    Urplötzlich herrscht Schweigen! Ein unheimliches Schweigen liegt über dem Tal der Linden, selbst die Vögel des Waldes stimmen in das Schweigen ein. Gebannt starren alle auf eine zarte junge Frau, die sich aus der Gruppe der Priesterinnen gelöst hat und nun allein vor dem Felsblock steht. Ehrfürchtig haben die Umstehenden ihr Platz gemacht. Sie hebt schweigend beide Hände zum Himmel und wartet, bis auch das letzte Geräusch erstorben ist. Dann winkt sie zur Seite, wo zwei junge, nackte Männer mit einem kleinen Kalb stehen. Es kann nicht älter als zwei, drei Wochen sein. Blütenweiß ist es und von makelloser Gestalt. Mit langsamen Schritten führen die jungen Burschen das Kalb vor den Stein. Ganzruhig steht es da, nicht ahnend, dass gleich das Messer an seine Kehle fahren wird.
    »Sie werden das süße Kälblein doch nicht opfern?« Aus Antonias Stimme klingt Empörung.
    »Warum nicht?«, meint Gaius leichthin. »Wir tun doch dasselbe. Im Übrigen haben sie früher Menschen geopfert, bis der große Augustus es ihnen verboten hat.«
    »Aber so ein süßes Kälbl...« Antonia kann ihren Satz nicht beenden. Ein kurzer spitzer Schrei entfährt ihr in dem Augenblick, als einer der Männer mit seinem Messer dem Tier blitzartig die Kehle durchschneidet. Mit hellem roten Strahl schießt das Blut aus der Kehle des Tieres, das sich im Todeskampf windet.
    Wie auf Kommando ertönt wieder der gemeinsame Ruf: » men hir ... men hir ... men hir ... men hir ...«
    Die Männer haben den Leib des Tieres mit einem geraden Schnitt geöffnet und klappen den Bauch auf wie ein Buch. Schaudernd wenden sich Dirana und Antonia ab, während Valerius und Gaius

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