Agrippina - Kaiserin von Rom
sich ein schlichtes Menschengemüt vorstellen kann. Plötzlich schüttelte er sich, der Lorbeerkranz flog in weitem Bogen auf den Boden. Er gab ein hysterisches Lachen von sich und schrie: »So ist sie endlich tot! Die Gefahr ist vorbei. Jetzt beginnt mein Imperium ! Wein! Bringt Wein! Wir werden den Göttern ein Dankesfest ausrichten.«
Aber noch bevor der Wein in die silbernen Kelche gefüllt war, trat ein Leibgardist ein und flüsterte etwas in Anicetus’ Ohr.
»Was ist? Was flüstert ihr hinter dem Rücken des Kaisers?«, schrie Nero und fuchtelte aufgeregt mit dem Weinbecher herum, dass der rote Rebensaft über seine prächtige Tunica lief. Wie mit blutigen Flecken tränkte der Saft das teure Kleidungsstück, und hätte Nero an sich heruntergeblickt, ihn hätte das nackte Entsetzen gepackt. Wild packte er den Leibgardisten am Arm und schüttelte ihn heftig.
»Sprich, Mann, wenn dir dein Leben lieb ist!«
»Ein Bote.«
Die Stimme des Leibgardisten war kaum hörbar und seine Miene von Grauen entstellt.
»Ein Bote von ... von der edlen Agrippina!«
»Waaaaaaas?«
Mit einem Aufschrei ließ Nero den Becher fallen. Der Wein ergoss sich über seine Beine und die goldenen Schuhe, bildete aufdem weißen Mosaikboden eine hässliche, blutrote Pfütze. Nero merkte es nicht, mit blödem Gesicht starrte er den Mann an. Betreten blickte der Soldat beiseite.
»Bei Jupiter , was soll dein Geschwätz von einem Boten, ha!«
Wie eine Furie drehte er sich auf dem Absatz herum. Speichel tropfte aus dem geöffneten Mund.
»Wie soll Agrippina einen Boten schicken? Sag es mir, mein Anicetus! Sag es mir!« Kreischend deutete er mit dem Zeigefinger auf seinen Flottenkommandanten, der den Worten des Prätorianers in namenlosem Entsetzen gelauscht hatte.
»Dann kann er nur aus der Unterwelt kommen«, rief Anicetus erregt aus. »Sie ist tot. Tot. Tot!«
»Weckt mir den Seneca. Und den Burrus! Ich will sie sofort hier sehen. Auf der Stelle!«
Schnell stürmte der Prätorianer hinaus, erleichtert, dem Zorn des Verrückten entgangen zu sein.
»Wer ... wer ... ist der Bote?«, fragte Nero. Sein Atem ging schwer und rasselnd.
»Lucius Agerinus«, antwortete Anicetus stockend, »er ist einer von Agrippinas Vertrauten. Ein Freigelassener.«
Nero dachte einen Augenblick nach. Er hatte sich wieder etwas gefasst. Plötzlich schien er einen Entschluss gefasst zu haben, wie das tückische Grinsen in seinem Gesicht anzeigte. Sorgsam ordnete er seine Kleider, mit einem Lappen wischte er den Wein von Beinen und Füßen.
»Gib mir deinen Dolch«, herrschte er plötzlich Anicetus an. »Dann nimm dir ein paar Männer der Wache, und versteck dich im Nebenraum! Sobald Seneca und Burrus da sind, mag der Bote eintreten!«
Ratlos blickte Anicetus seinen Herrscher an.
»Nun mach schon, du Dummkopf. Ich muss jetzt das zu Ende führen, was du in deiner grenzenlosen Dummheit verbockt hast!«
Schweigend reichte der Flottenkommandant seinem Kaiser den Dolch. Dann verließ er den Saal, froh, seinen Kopf noch auf dem Hals zu haben.
***
Ganz offensichtlich hat man Seneca eiligst aus dem Bett gerissen, denn die mürrische, müde Miene des Philosophen spricht Bände. Burrus sieht deutlich besser aus, ein Militärmann ist es eben gewohnt, des Nachts aus dem Bett gerissen zu werden. Sein grimmiges Gesicht aber drückt deutlich aus, dass ihm die Entwicklung hier ganz und gar nicht behagt. Offenbar haben die Gerüchte schon ihren Weg durch die weiten Flure des Palastes genommen.
»Führt den Mann herein!«
Die Flügeltür öffnet sich und ein junger, gut aussehender Mann kommt atemlos herein, das Gesicht freudig erregt und errötet. Schweißnasse schwarze Haare kleben an seiner feuchten Stirn. Er schaut sich in der riesigen Halle um, entdeckt Nero und wirft sich ihm zu Füßen.
»Mein großer Cäsar ! Welche Freude habe ich dir mitzuteilen! Deine Mutter, die göttliche Augusta, hat den Schiffsunfall überlebt. Sie ist verletzt, aber gesund. Sie befindet sich in ihrem Landhaus am Lucriner See. Durch mich schickt sie dir folgende Zeilen.« Damit übergibt er Nero eine Wachstafel, auf die hastig ein paar Zeilen gekritzelt wurden, kaum leserlich, aber die Handschrift der Mutter ist ihm vertraut.
Geliebter Sohn!
Durch die Gnade der Götter und dir zum Glück bin ich aus
schwerem Unfall entronnen. Sicher bist du in großer Sorge nun
um mich und willst deine geliebte Mutter in die Arme schließen.
Doch bedarf ich jetzt der Ruhe und bitte dich
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