Agrippina - Kaiserin von Rom
einstweilen nur,
den Göttern in meinem Namen ein Opfer zu bringen.
Agrippina
Mit einem Aufschrei wirft der Kaiser die Tafel gegen die Wand, wo sie zerbricht. Im gleichen Augenblick zerrt er unter seinem Gewand den Dolch des Anicetus hervor und wirft ihn dem verdutzten jungen Mann vor die Füße. Gleichzeitig bricht er in hysterisches Schreien aus: »Mörder! Zu Hilfe!«
Das klirrende Geräusch der fallenden Waffe ist das Signal: Anicetus und seine Männer stürzen aus dem Nebenraum hervor.
»Nehmt diesen da fest! Er wollte euren Kaiser ermorden!«
Grob packen die Wachen den Boten, Agerinus leistet keinen Widerstand. Die Überraschung ist an seiner Miene abzulesen.
»Hinweg mit ihm!« Neros Stimme überschlägt sich. »Der Henker! Der Henker soll sich um ihn kümmern! Sofort! Ich befehle es, ich, der göttliche Cäsar. «
Ohne Zögern zerren die Wachen den Unglücklichen fort. Seneca betrachtet das ganze Spiel mit Abscheu und sichtlichem Widerwillen, während Burrus, der alte Kriegsmann, betreten zur Seite blickt. Aber die Komödie duldet keinen Widerspruch.
»Und nun, meine Freunde?« Betont freundlich spricht Nero die beiden Männer an.
»Ihr habt es selbst gesehen, wie Agrippinas Bote kam, um mich zu morden, nicht wahr?«
Die Männer schweigen, der eine vor Scham, der andere vor Furcht. Doch der Kaiser deutet das als Zustimmung.
»Was ist also jetzt zu tun?« Sein Ton wird weinerlich, und er lässt sich erschöpft auf das Sofa fallen. Mit dem Ärmelstück seiner durchschwitzten Tunica tupft er sich geziert den Schweiß von der Stirn.
»Sie wird es wieder versuchen! Wird ihre Diener und Sklaven bewaffnen und mich ermorden.«
Einen Augenblick lang hält er inne, das Gesicht ist von Furcht entstellt. Wer weiß schon, ob die Furcht echt ist oder Ergebnis hervorragenden Schauspiels?
»Oder vielleicht ist sie schon auf dem Weg nach Rom, um die Senatoren auf ihre Seite zu bringen. Oder auf dem Weg nach Germanien, um die Truppen dort gegen mich aufzuwiegeln. Sie, die Tochter des edlen Germanicus, wird dort viele Ohren finden. Oh ihr Götter!« Mit dramatischer Geste hebt er beide Arme zum Himmel.
Aber Seneca und Burrus schweigen immer noch. Da dreht sich der Kaiser um. Scharf fixiert er seine beiden Gefährten, sein Blick wird tückisch.
»Ihr sagt nichts, meine Freunde. Habt ihr mir also auch die Gefolgschaft gekündigt?« Mit raschem Griff hebt er den Dolch auf, der immer noch auf dem Boden liegt, und drückt ihn dem überraschten Burrus in die Hand. Gleichzeitig zerreißt er die Tunica mitschneller Hand und bietet die nackte Brust dem Verdutzten dar: »Dann stoß diesen Dolch in meine Brust, Unseliger, und bring den Verrat zu Ende! Mögen die Götter dir verzeihen, mein geliebtes Volk wird es nicht können.«
Dabei schießen Tränen aus seinen Augen, langsam perlen sie an den aufgedunsenen Wangen herab. Seneca hat das unbestimmte Gefühl, in einem drittklassigen Schmierentheater zu sitzen, aber Burrus lässt entsetzt den Dolch fallen, fällt auf die Knie und ruft aus: »Mein Cäsar , mein Herr! Wie kannst du an unserer Treue zweifeln?«
Befriedigt schließt der Kaiser sein Gewand wieder. Lächelnd nimmt er die devote Gunstbezeugung entgegen.
»Dann gib deinen Leuten den Befehl, die Augusta zu töten. Sie hat Hochverrat begangen!«
»Das kann ich nicht«, ruft Burrus gequält, »nie würden sie das Schwert gegen die Tochter des Germanicus richten! Sie haben dem Haus der Cäsaren den Treueid geleistet, und das gilt auch für Agrippina.«
Jetzt nimmt Seneca das Wort. Ruhig und sachlich spricht er, wie es seine Art ist. Bedächtig legt er die Hände zusammen, und seine Miene trägt die gleiche Gelassenheit, als befände er sich in der Wandelhalle der Philosophen und diskutiere mit ein paar Peripatetikern: »Und würden sich deine Soldaten ruhig verhalten, wenn man ... wenn man gegen Agrippina vorginge?«
Burrus ballt die gewaltigen Fäuste. Was verlangt man da von ihm! »Wenn es schnell ginge«, bringt er mühsam hervor, »jetzt, heute Nacht, bevor alle Welt weiß, was hier passiert.«
»Und wer? Wer soll das Unternehmen leiten?«, fragt Nero. Er hat nie an der Treue der Männer gezweifelt, aber manchmal, manchmal muss man sie auf die Probe stellen. Im Übrigen hat ihm nicht gefallen, wie die Männer ihn haben zappeln lassen, ihn, den göttlichen Cäsar . Das wird er sich merken, und zu gegebener Zeit wird er ...
Wie auf Kommando betritt Anicetus in diesem Augenblick den Saal. Er will melden, dass
Weitere Kostenlose Bücher