Aibon-Teufel
Sie hatte die Wahrheit gesagt, und wir sahen, dass sie Mühe hatte, die Tränen zurückzuhalten.
»Ich habe sie auf den Rasen gelegt«, hatte sie noch gesagt und sich dann in einen Sessel hineinfallen lassen.
Jetzt standen wir draußen. Maxine hatte sich einen Mantel übergestreift. Ich trug die dicke Jacke.
Die Außenbeleuchtung warf an verschiedenen Stellen ihren Schein über den Rasen hinweg. Da er noch mit einer dünnen Schneeschicht bedeckt war, schimmerte er recht hell, und die Gestalt hob sich deutlich von der Oberfläche ab.
Wir hatten nicht nach Einzelheiten gefragt. Dafür war später noch Zeit.
Nebeneinander schritten wir auf die Tote zu.
Eine alte Frau, die ein dunkles Kleid trug. Bei genauem Hinschauen erkannten wir die rote Farbe.
Ich leuchtete sie mit meiner kleinen Lampe an. Der Kegel traf auch das Gesicht, das ich mir sehr genau anschaute. Leichenflecken waren noch keine zu sehen oder nicht für mich sichtbar.
Maxine verfolgte den gleichen Gedanken wie ich. »Lange kann sie noch nicht tot sein. Aber wer legt eine Tote irgendwo ab, sodass sie gefunden werden kann?«
»Keine Ahnung, Max. Aber Carlotta wird uns die Geschichte erzählen können. Zunächst stellt sich die Frage, was wir mit ihr machen. Ich schlage vor, dass wir sie in deine Praxis bringen und dann entscheiden, wie es weitergeht.«
»Daran habe ich auch gedacht.«
»Gut.« Ich bückte mich und hob die Tote an. Sie war nicht besonders leicht, und so konnte ich nach vollziehen, was das Vogelmädchen hinter sich hatte.
Maxine war schon vorgelaufen. Die Praxis befand sich in einem Anbau, auch zu ebener Erde. Es gab in den beiden Bauten keine obere Etage, das Grundstück war groß genug, sodass sich Maxine mit ihrem Haus darauf hatte ausbreiten können.
Auf dem Tisch, auf dem sonst die Tiere lagen, um untersucht zu werden, sollte nun die Tote Platz finden. Maxine deckte die Fläche mit einem dünnen Tuch ab und trat zur Seite, damit ich die Tote ablegen konnte.
Als Leiche war sie steif. Jetzt kam noch hinzu, dass ihr Körper gefroren war und noch steifer wirkte. Auf der Haut schimmerte an verschiedenen Stellen Eis. Es hatte sich auch als kleine Klumpen in den Haaren festgesetzt.
Wir traten beide zurück und untersuchten die Tote mit unseren Blicken. Eine Wunde war nicht zu sehen. Wir entdeckten auch keine Druckstellen am Hals, die auf ein Erwürgen hätten schließen lassen. Allerdings war das rote Samtkleid an verschiedenen Stellen sehr schmutzig. Verständlich, wenn sie im Freien gelegen hatte, denn keiner von uns glaubte, dass Carlotta die Tote aus einem Grab geholt hatte.
»Wie geht es weiter?«, murmelte Maxine. »Du bist schließlich der Polizist, John.«
»Wir werden sie hier liegen lassen.«
»Und dann?«
»Hören wir uns an, was Carlotta uns zu sagen hat.«
»Sonst nichts?«
»An was hattest du denn gedacht?«
Sie schnaubte durch die Nase. »Ich dachte zum Beispiel daran, dass du deine Kollegen von der hiesigen Mordkommission anrufen würdest, damit man die Tote untersucht.«
»Das kann später geschehen. Es eilt nicht so.«
»Okay. Dann lass uns zu Carlotta gehen. Ich denke, dass sie schon auf uns wartet.«
Der Duft von frisch gekochtem Kakao empfing uns. Carlotta hatte ihn sich zubereitet. Mit einer großen Tasse in der Hand stand sie im Flur und genoss das heiße Getränk.
Maxine legte ihrer Ziehtochter einen Arm um die Schultern. »Okay, jetzt werden wir uns zusammensetzen und in aller Ruhe über das reden, was du erlebt hast.«
»Gerne. Das war verrückt! Aber versprecht mir, dass ihr mir alles glaubt, was ich euch sage.«
»Das werden wir.«
Diesmal waren wir zu dritt und ließen uns vom flackernden Kaminfeuer anstrahlen. Der Zauber der Zweisamkeit war natürlich verschwunden, die Wirklichkeit hatte uns eingeholt, und allmählich sah ich es als Fluch an, dass immer dann etwas passierte, wenn ich mich hier bei Maxine in Dundee aufhielt.
Maxine hatte für Carlotta einen Decke geholt und sie über deren Körper ausgebreitete. Das Vogelmädchen hockte mit seitlich gelegten Beinen in einem Sessel. Es ging Carlotta wieder besser, das sahen wir, denn jetzt war Farbe in ihr Gesicht zurückgekehrt.
Ihre Augen blickten klar, nicht mehr so ängstlich, aber auch nachdenklich. »Da habe ich euch gestört, wie?«
»Hast du nicht«, sagte die Tierärztin. »Wir sind nur froh, dass du heil zurückgekehrt bist.«
»Ja, ich bin auch froh. Es war schlimm.« Sie stellte die leere Tasse weg und fuhr durch ihr Haar, in
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