Aibon-Teufel
dem die kleinen Eisklumpen getaut waren, sodass sich jetzt nasse Strähnen dazwischen zeigten. »Jetzt wollt ihr alles wissen, nicht?«
»Ja«, sagte ich.
Danach mussten wir ihr Zeit lassen, sich zu sammeln. Sie überlegte intensiv, und schließlich hörten wir staunend und immer ungläubiger zu, was ihr widerfahren war.
Maxine schüttelte den Kopf. »Und – und – du hast dieses Untier wirklich gesehen?«
»Ja, mit eigenen Augen. Ich bin vor ihm geflohen. Das müsst ihr mir glauben!«
»Bitte, wir wollen dich nicht als Lügnerin hinstellen.« Maxine schaute mich an. »Was hältst du davon?«
Auch ich musste den Bericht erst verdauen. Dann fragte ich: »Gibt es hier in den Wäldern Geschöpfe, die so aussehen könnten?«
»Auf keinen Fall, John.«
»Aber es hat existiert«, erklärte das Vogelmädchen noch mal mit Nachdruck. »Und es wollte die Tote.«
»Ich glaube«, sagte Maxine, »dass man die Leiche bewusst für dieses Monster dorthin gelegt hat.«
Der Ansicht war ich auch. Dann begann ich, wie ein Kriminalbeamter zu denken. »Wir müssen herausfinden, wer diese Frau ist. Wie sie heißt. Wo sie gelebt hat. Ihr beide habt sie zuvor niemals gesehen?«
»So ist es, John.«
»Dann werden wir doch die Kollegen einschalten müssen.«
»Oder zuerst nachdenken.«
Ich schaute Maxine an. »Wie meinst du das?«
»Wir wissen von Carlotta, wo sie die Leiche gefunden hat. Kannst du dir vorstellen, dass man die Tote von Dundee aus dorthin schleppt und in diese Astgabel legt?«
»Vorstellbar ist alles. Aber in diesem Fall hätte ich schon meine Bedenken.«
»Genau wie ich.«
»Sprich weiter!«, forderte ich Maxine auf.
»Um es kurz zu sagen: Ich gehe davon aus, dass die Person aus der Nähe des Fundortes stammt.«
Sie hatte das ausgesprochen, was ich auch schon gedacht hatte.
»Ja, das kann sein«, sagte auch Carlotta.
»Dann müsstest du uns noch genau den Weg erklären, den du geflogen bist.«
»Das war in Richtung Sidlaw Hills.«
»Gut, aber nicht darüber hinweg.«
»Nein.«
»Dann hole ich mal eine Karte«, sagte Maxine.
Carlotta und ich blieben zurück. Das Vogelmädchen fühlte sich irgendwie schuldig. »Es ist ja verrückt, dass immer etwas passiert, wenn du hier oben bist.«
»Zumeist ruft man mich ja.«
»Und jetzt ist es eben so passiert.«
Ich hob die Schultern. »Schicksal. Mehr kann ich dazu nicht sagen. Man muss es hinnehmen.«
»Ja, ich weiß.«
Die Tierärztin kehrte zurück. Sie brachte eine Karte von der Gegend mit, die sie auf dem nicht sehr hohen Tisch ausbreitete. Licht gab es genug, und so beugten wir uns zu dritt über die Karte.
Mit dem Finger zeigte uns Carlotta die Strecke, die sie geflogen war. Maxine forderte sie immer wieder auf, Details zu nennen, an die sie sich erinnern konnte. Es gab da einige, und Maxine nickte und lächelte zugleich.
»Es kann sein, dass ich Bescheid weiß.«
Wir schauten sie gespannt an.
»Es ist zwar eine einsame Gegend, aber vor den Bergen gibt es noch einige kleine Orte. Dörfer, deren Namen völlig uninteressant sind, wenn man es normal sieht. Nur sind sie mir nicht unbekannt. Ich kenne mich schon in der Gegend aus, und ich kann mir auch vorstellen, wohin Carlotta geflogen ist. Dieser Wald hat sogar einen Namen. Er heißt Pitmiddle Wood, und der Ort, der ihm am nächsten liegt, heißt Kinnaird. Hier ist er.« Sie deutete mit dem Zeigefinger auf eine bestimmte Stelle. »Da, schaut genau hin.«
Das taten wir auch. Selbst auf dieser detailgetreuen Karte war das Kaff nur als kleiner Punkt eingezeichnet. Viele Häuser konnte es dort nicht geben.
Ich schaute Maxine an. »Kennst du dich in der Gegend aus? Anders gefragt, bist du schon direkt in Kinnaird gewesen?«
»Nein, bin ich nicht. Zumindest nicht wissentlich. Kann sein, dass ich auf einer meiner Touren mal durchgefahren bin, aber das ist auch alles. Den Namen selbst habe ich mir nicht gemerkt. Ich denke nicht, dass es sich lohnt, das Kaff zu besuchen.«
»Jetzt schon«, sagte ich.
»Und wann?«
Carlotta antwortete. »Ich glaube nicht, dass es sich in der Nacht noch lohnt. Morgen können wir fahren.«
»Wir?«
Sie lächelte und sagte: »Ja, John. Ich komme mit, denn ich habe die Tote entdeckt.« Sie drehte ihr Gesicht der Tierärztin zu. »Oder, Max?«
»Wenn du dich an die Regeln hältst und nicht selbst versuchst, irgendwas herauszufinden...«
»Ich halte mich daran. Ich muss euch ja den Baum zeigen, in dem die Tote gelegen hat. Den finde ich wieder.«
Ohne Carlotta wäre
Weitere Kostenlose Bücher