Aibon-Teufel
die Tote wohl nicht gefunden worden, und so stimmten wir ihrem Wunsch zu.
»Eines könnten wir noch machen«, schlug Maxine vor. »Ich denke, dass es besser ist, wenn wir die Tote fotografieren und ihr Bild herumzeigen. Es kann auch sein, dass sie aus einem anderen Ort stammt. Aus Ballindean oder Craigdallie, zum Beispiel, denn die Orte liegen in der Nähe.«
Die Idee war gut. Und die Tierärztin war froh, ihre alte Sofortbildkamera aufbewahrt zu haben. Carlotta blieb zurück, während ich mit Maxine in den Raum ging, in dem die Tote lag.
Es war hell genug, um ein gutes Polaroidfoto machen zu können. Das Bild wurde aus dem Schlitz hervorgeschoben und entwickelte sich langsam. Zur Sicherheit schossen wir noch zwei weitere Aufnahmen, dann waren wir zufrieden.
»Und was geschieht mit der Toten?«
Ich wartete mit meiner Antwort. »Genau kann ich das nicht sagen. Ich denke mal, dass wir es so halten, dass die Frau bis zum morgigen Tag hier liegen bleibt.«
»Und dann sagst du den Kollegen Bescheid.«
»Ja.«
Wir gingen wieder zu Carlotta zurück. Auf dem Weg dorthin sagte Maxine mit leiser Stimme: »Ich will ja nicht den Teufel an die Wand malen und unken, aber ich habe das Gefühl, dass wir noch nicht am Ende dieser Geschichte angelangt sind.«
»Wie meinst du das?«
Sie stieß mich an. »Hör schon auf, John. Ich kenne dich. Du verfolgst doch den gleichen Gedanken.«
»Stimmt.«
»Gut, dann bin ich mal gespannt, wie wir den Rest der Nacht verbringen.«
»Natürlich schlafend.«
»Meinst du?«
Ich grinste und schüttelte den Kopf. »Also, sicher bin ich mir nicht, das muss ich schon sagen...«
***
Hunger!
Ein irrsinniger Hunger trieb das Geschöpf an. Es war wie rasend geworden, als man ihm die Beute entwendet hatte. Es brauchte die Nahrung. Es wollte das Fleisch, aber es war ihm im letzten Moment genommen worden.
Die hungrige Bestie war aus dem Wald gestürmt und hatte noch gesehen, wie jemand mit ihrer Beute davonflog. Ein Mensch, der fliegen konnte, der nicht nur auf seinen Beinen rannte, sondern für ihn unerreichbar durch die Luft glitt und dann als Schattenwesen eintauchte in die verdammte Dunkelheit.
Er rannte noch ein paar Meter weiter und blieb dann stehen. Vor seinem Maul dampfte der Atem, Tief in seiner Kehle wurde das böse Knurren geboren, das wie ein schauriger Gruß in die Stille der Nacht hallte. Er jaulte seine Wut hinaus, schüttelte sich und richtete seinen Oberkörper auf.
Seine Gestalt glich der eines Gorillas. Zu dem Eindruck trugen vor allen Dingen die langen Arme bei. Sie endeten in den krallenartigen Händen, die ihm eine große Hilfe beim Klettern waren. Damit gelang es ihm sogar, Hauswände hochzusteigen.
Er war enttäuscht. Das Gefühl des Hungers nagte in seinen Eingeweiden. Der Wald lag hinter ihm. Der Blick der kalten, bösen Augen glitt über das Land hinweg, das jetzt für ihn keine Nahrung mehr bot.
Wenn er welche haben wollte, dann musste er bis zu den Menschen laufen.
Menschen – warmes Fleisch, das für ihn lebenswichtig war. Er stellte sich vor, wie er die Nahrung zu sich nahm oder sie mitzerrte in die Welt, aus der er gekommen war.
Nur nicht mehr in dieser Nacht. Man hatte ihm die Beute geraubt, aber die Kreatur hatte noch nicht aufgegeben. Sie glaubte daran, dass sie ihren Hunger bald stillen konnte, denn wer mit dem Feuer spielte, der verbrannte sich oft.
Als er daran dachte, verließ ein wildes Heulen sein Maul. Danach drehte er sich wieder um und verschwand im dichten Wald...
Wenn mich jemand gefragt hätte, wie ich geschlafen hätte, dann hätte ich als Antwort nur abgewinkt, denn die restlichen Stunden waren nicht eben erholsam gewesen.
Ich hatte noch lange im Bett des Gästezimmers wach gelegen und nachgedacht. Die Beschreibung des Monstrums wollte mir einfach nicht aus dem Kopf gehen, und ich überlegte hin und her, ob ich eine solche Kreatur schon mal gesehen hatte.
Ich wusste es nicht. Es machte nicht Klick in meinem Kopf.
Dann war ich doch eingeschlafen. Deshalb war ich nicht ganz so kaputt, als ich mich bei den beiden Ladies blicken ließ, die allerdings auch nicht aussahen, als hätten sie eine Frischzellenkur hinter sich.
Ich setzte mich an den gedeckten Frühstückstisch und nahm den Geruch von Eiern mit gebratenem Speck auf. Das ließ mich meine Sorgen vergessen. Ich bekam Appetit, nickte den beiden zu und sagte: »Jetzt werden wir uns erst mal für das Kommende stärken.«
»Ja«, sagte Carlotta. »Und anschließend gehen wir dann
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