Airframe
der weltweiten Rezession auf Sparflamme lief.
Sie hatte sich nie vorgestellt, je für eine Flugzeugfirma zu arbeiten, aber zu ihrer Überraschung merkte sie bald, daß ihr unverblümter Pragmatismus des Mittelwestens perfekt zu dem Klima paßte, das zwischen den Ingenieuren der Firma herrschte. Jim hielt sie für steif und übertrieben korrekt, aber ihre Detailversessenheit hatte ihr bei Norton gute Dienste geleistet, so daß sie seit einem Jahr Vizedirektorin der Qualitätssicherung war.
Sie mochte die Qualitätssicherung, auch wenn diese Abteilung einen beinahe unmöglichen Auftrag zu erfüllen hatte. Norton Aircraft war in zwei große Bereiche geteilt - Produktion und Verkauf-, die sich ständig bekriegten. Die Qualitätssicherung hatte einen schweren Stand als Puffer zwischen den beiden. Die QA, so das Kürzel für diese Abteilung, war mit allen Aspekten der Produktion befaßt, sie überprüfte jeden Schritt der Fertigung und der Montage. Wenn ein Problem auftauchte, wurde von der QA erwartet, es zu lösen. Das machte die Abteilung nicht gerade zum Lieblingskind der Mechaniker oder Ingenieure.
Gleichzeitig wurde von der QA erwartet, daß sie sich um Probleme des Kundendienstes kümmerte. Kunden waren oft unzufrieden mit Entscheidungen, die sie selbst einmal getroffen hatten, und gaben Norton die Schuld, wenn sich die Bordküchen, die sie bestellt hatten, an der falschen Stelle befanden oder wenn es nicht genügend Toiletten in der Maschine gab. Man brauchte Geduld und taktisches Geschick, um alle zufriedenzustellen und die Probleme zu lösen. Casey, eine geborene Friedensstifterin, war darin besonders gut.
Als Gegenleistung für diesen beständigen Hochseilakt hatten die Leute der QA in der Firma das Sagen. Als Vizedirektorin hatte Casey mit jedem Aspekt der innerbetrieblichen Arbeit zu tun, sie hatte viele Freiheiten und weitreichende Verantwortung.
Sie wußte, daß ihr Titel eindrucksvoller war als der Posten, der dazugehörte. Bei Norton wimmelte es von Vizedirektoren. Allein in ihrer Abteilung gab es vier Vizes, und die Konkurrenz zwischen ihnen war hart. Aber jetzt hatte John Marder sie zur Repräsentantin der Qualitätssicherung beim IRT gemacht. Das war eine Position von beträchtlicher Reputation und machte sie zur Anwärterin auf die Führungsspitze der Abteilung. Marder vergab solche Beförderungen nicht nur aus einer Laune heraus. Sie wußte, daß er einen guten Grund dafür hatte.
Casey bog mit ihrem Mustang Cabrio vom Golden State Free-way in die Empire Avenue ein und folgte dem Maschendrahtzaun, der die südliche Grenze des Flughafens Burbank markierte. Sie fuhr auf das industrielle Areal zu, wo sich Rockwell, Lockheed und Norton Aircraft befanden. Schon aus der Entfernung konnte sie die Reihen der Hangars sehen, jeder mit dem geflügelten Norton-Logo auf dem Dach…
Ihr Autotelefon klingelte.
»Casey? Norma hier. Sie wissen von der Besprechung?«
Norma war ihre Sekretärin. »Ich bin schon unterwegs«, sagte Casey. »Was ist denn los?«
»Kein Mensch weiß irgendwas«, sagte Norma. »Aber es muß was Schlimmes sein. Marder hat die technischen Leiter angeschrien und die IRT-Sitzung vorverlegt.«
John Marder war bei Norton Chief Operating Officer, also Betriebsleiter. Außerdem war er Programmanager der N-22 gewesen, was bedeutete, daß er die Produktion dieses Flugzeugs überwacht hatte. Er galt als skrupelloser und gelegentlich rücksichtsloser Mann, aber er hatte Erfolg. Und er war mit Charley Nortons einziger Tochter verheiratet und hatte in den letzten Jahren großen Einfluß auf den Verkauf gehabt. Das machte ihn zum zweitmächtigsten Mann in der Firma nach dem Präsidenten. Es war Marder, der Casey gefördert hatte, und es war…
»… mit Ihrem Assistenten tun?« sagte Norma.
»Meinem was?«
»Ihrem neuen Assistenten. Was soll ich mit ihm machen? Er wartet in Ihrem Büro. Sie haben das doch nicht vergessen?«
»Ach ja, richtig.« Den hatte sie tatsächlich vergessen. Irgendein Neffe der Norton-Familie, der sich durch die Abteilungen hocharbeiten sollte. Marder hatte Casey den Jungen zugewiesen, was bedeutete, daß sie ihn für die nächsten sechs Wochen am Hals haben würde. »Wie ist er denn, Norma?«
»Naja, er sabbert nicht.«
»Norma.«
»Er ist besser als der letzte.«
Das hieß nicht viel: Der letzte war in der Montagehalle von einem Flügel gefallen und hätte sich am Funkgerät durch einen Stromschlag beinahe selbst umgebracht. »Wie viel besser?«
»Ich sehe mir
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