Akasha 03 - Das Exil der Messianer
Präzeptor hob die Hand zum Gruß – und verschwand. Djamenah blieb allein in dem Schwarzen Zimmer zurück, allein mit dem Mandala. Die letzte Prüfung. Der letzte Test.
Sie starrte auf das Mandala und versuchte, sich auf den Mittelpunkt zu konzentrieren. Irgend etwas jedoch zwang ihren Blick immer in die schwarze Hälfte, die Zone der Auflösung und Nicht-Synthese.
Der Schmerz ist schier unerträglich. Und doch darf sie ihm nicht nachgeben, muß stärker sein als der Symbiont und seine Metastasen, stärker als der Fluch der Sterblichkeit, der nun wieder auf ihr lastet. Das Wesen an ihrer Seite – sie hat seinen Namen vergessen – fährt einige Augenstiele aus und mustert sie besorgt. Irgendwo in der Ferne dieser autarken Klima- und Datenzone sieht sie eine Gestalt, die ihr vertraut erscheint, die sie schon in einigen anderen Habitaten bemerkt hat. Ein Verfolger?
Das Mandala wurde größer, und die schwarze Hälfte wuchs ihr regelrecht entgegen, während sich die weiße von ihr entfernte.
Sei der Mittelpunkt des Zentrums.
Das war die Prüfung, der letzte Test, begriff Djamenah. Bereitwillig trat sie in die schwarze Hälfte des Mandala. Ich bin eine Form, die man modellieren kann , dachte Djamenah. Sie nickte, glaubte verstanden zu haben. Hatte sie zunächst noch einen Widerstand in dem Bemühen gespürt, die weiße Hälfte des Mandala zu erreichen, dessen Kreis rings um sie glühte, so schien sich diese Barriere nun immer mehr zu verflüchtigen.
Sein wie ein Tropfen Tau. Gold aus Unrat waschen.
Djamenah ruhte in sich selbst, und die Ruhe war wie eine Korona, die um sie herum in diamantenem Licht erstrahlte. Nach einer Weile trat sie in die weiße Hälfte. Sie sah den Punkt an der Grenzlinie von Weiß und Schwarz, jenen Fleck, der zunächst keine Ausdehnung gehabt hatte, eine Singularität, die nun einen zweidimensionalen Aspekt gewann, wuchs und sie erwartete.
Es war ganz leicht. Djamenah trat auf die Fläche, der plötzlich eine riesenhafte Ausdehnung zukam, und sie wurde zum Mittelpunkt des Zentrums. Als sie die Augen öffnete, sah sie die Borkenwände des Denkenden Heims – und den zufrieden lächelnden Präzeptor.
»Jetzt bist du, die du sein sollst«, sagte der Messianer.
Djamenah Shara bebte am ganzen Körper, als sie wieder zu sich kam. Aus einer seltsamen Perspektive blickte sie auf einen Wald aus Oleander, Hyazinthen, Hydrophyten verschiedenster Art, Orchideen und anderen Gewächsen mit großen, farbigen Blüten herab. Der schmale Steg, der über das Gehölz hinwegführte, vibrierte leicht im Rhythmus des energetischen Stabilisierungstakts. Einige Dutzend Meter entfernt sah sie einen Teich. Zinnoberrote Seerosen schwammen in dem unbewegten Wasser, und an den Ufern, in unmittelbarer Nähe der elektronischen Zapfen, die dort aus dem Schilf ragten, hockten einige Registratoren: die Schwingen wie bei einem Kolibri in ständiger Bewegung, so daß nur ein geringer Teil des Gewichts auf dem nicht stabilen Untergrund lastete, die insektoiden Stelzenbeine gespreizt, die Sensirüssel in den Terminialdornen versenkt. Die Luft war sehr warm und sehr feucht, aber Djamenah konnte in dieser autarken Klimazone auf das Tragen eines Kompensatoranzuges verzichten.
Yrrwitt – jetzt entsann sich Djamenah wieder an den Namen ihres nonhumanoiden Begleiters – gab sie frei, als sie die Nachwirkungen des medikamentösen Schocks überwunden hatte.
»Es geht Ihnen nicht gut«, stellte er überflüssigerweise fest, und die an den Enden der Augenstiele zitternden Pupillen musterten sie sorgenvoll. Sie nahm seine Ausstrahlungen wahr: Beunruhigung und Unsicherheit. Natürlich wußte er nicht, wer sie war. Sie trug das lange Gewand einer normalen Touristin, einer Datensucherin, die hier im Habitat der Gagòsch Antwort auf bestimmte Fragen zu finden hoffte. Djamenah beobachtete, wie sich die dünnen Stacheln in der amorphen Haut Yrrwitts zurückbildeten. Er hatte ihr damit eine Injektion verabreicht, die den Schmerz ein wenig linderte. Für eine gewisse Zeit.
Djamenah stemmte sich in die Höhe und hielt sich an der energetischen Brüstung des Stegs fest. »Ist es noch weit?«
»Nein«, sagte Yrrwitt mit seiner dumpfen, so freundlich klingenden Stimme. Er war kein Registrator, nur ein Führer für die vielen Besucher aus anderen Habitaten. Mit seinem amorphen Leib erinnerte er ein wenig an den Mempar – Wie lange habe ich nicht mehr an ihn gedacht? Er starb, weil ich ihn sterben ließ. Ich habe alle seine Hoffnungen
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