Akasha 03 - Das Exil der Messianer
entsann sich Djamenah daran, daß sie auf dem Weg in ihre Zelle an einem Verlies vorbeigekommen war, in dem der Cieco mit dem zinnoberroten Wahrnehmungsorgan gefangensaß; wenn sie schlief, sah sie im Traum die vielen anderen Eingekerkerten, die meisten Menschen, aber auch einige Hermahumanoiden und Aliens: sogenannte Ekstasenhäretiker, Leute, die gegen die glückliche Despotie kämpften, sich irgendwie vor der Happydroge geschützt hatten, mit der die Schergen des Megalords das Trinkwasser und alle Nahrungsmittel anreicherten, um sich die Bevölkerung eines ganzen Habitats untertan zu machen. Dann und wann wurde sie von durch die Gänge und Korridore des Kerkers hallenden Schreien aus dem Schlaf gerissen. Manchmal kamen Bedienstete des Megalords, stellten ihr Fragen, die sie ausweichend beantwortete – sie gab vor, noch unter der Wirkung der Happydroge zu stehen –, und danach schlief sie wieder und alterte, alterte immer rascher, in wenigen Stunden um Jahre, hatte es längst aufgegeben, nach dem Mittelpunkt des Zentrums zu suchen oder sich geistig an dem festzuklammern, was ihr früheres Wesen definiert hatte. Sie war zu einem Spottbild ihrer selbst geworden, ohne Hoffnung, voller Agonie und Verzweiflung.
Am vierten Tag kam Gaudenz. Er trug eine spezielle Kombination, die einem Kettenpanzer ähnelte, deren elektronische Bausteine dazu dienten, seine mentalistischen Fähigkeiten zu intensivieren. Der kalte Glanz seiner Augen verstärkte sich, während er zusah, wie zwei Kapuzenmänner Djamenah aus der Zelle und durch einen kurzen Gang führten. Sie gelangten in einen anderen Kerker, und Djamenahs Blick fiel auf die ausgemergelte Gestalt einer halbnackten Frau. Sie war an eine Wand gekettet. Gaudenz lächelte boshaft, holte mit einer Nervenpeitsche aus und schlug zweimal zu.
Djamenah starrte die schlecht verheilten Wunden im Leib der Gefangenen an, sah ihre Qual wie ein mentales Krebsgeschwür, und spürte, wie sich abermals Wut in ihr regte. Sie kämpfte gegen die Apathie an, die ihr seit Tagen ständige Begleiterin war, konzentrierte sich auf den Zorn.
»Bisher haben wir Sie geschont, Ciristin«, sagte der Parapater und grinste anzüglich. »Aber es gibt noch andere Möglichkeiten, um Sie zum Sprechen zu bringen. Sie wissen inzwischen wohl, daß ich der Liga der Psimentalisten angehöre. Ich möchte Ihnen demonstrieren, wie wir hier mit Leuten verfahren, die verstockt sind und nicht begreifen wollen, in welcher Lage sie sich befinden.«
Achten Sie auf Personen, die dem siebenzackigen Stern verpflichtet sind.
Liebe und Harmonie.
Sein wie ein Tropfen Tau.
Der Mittelpunkt des Zentrums. Das Mandala nicht vergessen.
Gaudenz hatte die Tür nicht geschlossen. Djamenah gab sich alle Mühe, ihre Kraftreserven zu mobilisieren, ihre Empathie-Begabung von neuem der bewußten Steuerung zu unterwerfen. Sie hatte den Eindruck, vom vielen Schlafen hinlänglich erholt zu sein.
Gaudenz grinste noch immer, als er die Hand hob und mit dem Zeigefinger auf die Gefangene deutete. Die Frau hob ruckartig den Kopf; ihre Lippen bebten. Der zerschundene Leib bäumte sich auf, die Ekstasenhäretikerin schrie plötzlich in höchster Qual. »Möchten Sie das auch fühlen?« fragte der Parapater. »Soll ich Ihnen zeigen, daß der Metastasenschmerz im Vergleich zu der Pein, die ich Ihnen bereiten kann, nichts ist als ein Wehwehchen?« Erneut hob er die Hand, und der Frau traten die Augen aus den Höhlen.
Djamenah Shara handelte. Sie kehrte die destruktiven Kräfte des Parapaters gegen ihn selbst, indem sie seine Verderbtheit zu einer emotionalen Lanze umformte, die sie ihm ins Bewußtsein bohrte.
Gaudenz gab einen Ächzlaut von sich, fing an zu schlottern und taumelte zurück. Sein Gesicht war auf einmal aschfahl, und das Funkeln in seinen dunklen Pupillen trübte sich. Er drehte sich ruckartig um und lief mit dem Schädel gegen die Wand. Es knackte, und er sackte zusammen.
Djamenah wankte durch die Tür auf den Korridor, durch den Gang, gleichzeitig erleichtert und voller Abscheu. Sie stolperte durch die von energetischen Fackeln unzureichend erhellte Dunkelheit der Kerkerstockwerke, kam an einer Zelle vorbei, deren Tür ebenfalls offenstand. Drinnen lagen zwei bewußtlose Kapuzenmänner, und Djamenah brauchte eine Weile, bis sie sich daran erinnerte, daß die Schergen des Megalords in diesem Verlies die Rekompositorin Zarda LeVay untergebracht hatten (offenbar war ihr irgendwie die Flucht gelungen) –, hörte aufgeregte Stimmen
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