Akasha 03 - Das Exil der Messianer
im Treppenhaus, das Geräusch eiliger Schritte, die sich näherten, sah Dutzende von Gestalten in Kapuzenmänteln, lehnte sich an die schmutzige Wand, schnappte nach Luft. Sie wehrte sich gegen das Empfinden, daß sie keine Aussicht habe, aus dem Kerker entweichen zu können, nicht ohne Waffe, daß alles sinnlos sei, der Tod einer Erlösung gleichkam – denn Tod war ein Synonym für Ende. Aber für eine Ciristin wie sie, eine Immortale, durfte es kein Ende geben, nur immer wieder einen neuen Anfang. Ich will nicht sterben.
»Kümmern Sie sich um die andere Ciristin«, ertönte unversehens die helle Stimme des Megalords, der diesmal eine prunkvoll verzierte Priesterrobe trug. »Sie darf nicht entkommen.« In Begleitung einiger Kapuzenmänner eilte Honorius Wolffen auf Djamenah zu und versuchte trotz seiner zwergenhaften Gestalt, sie zu stützen. »Oh, ich bin untröstlich«, behauptete er. »Es tut mir ja alles so leid. Ich werde Gaudenz eine Rüge erteilen, das verspreche ich Ihnen. Kommen Sie, ich helfe Ihnen. Wir wollten nicht ... Ich meine, wir hatten nie die Absicht ... Wir bringen Sie in ein Hybridhaus. Ihr Vitalsymbiont muß sofort behandelt werden. Und anschließend ... anschließend können Sie natürlich gehen. Sie sind frei.«
Der dürre Megalord wirkte außer sich vor Betroffenheit, und die Emanationen, die Djamenahs Agonie durchdrangen, machten deutlich, daß er Strafe fürchtete; sich sorgte, von irgend jemandem zur Verantwortung gezogen zu werden.
Djamenah entsann sich an das Symbol des siebenzackigen Sterns.
7. Kapitel
Wichtige Kontakte
Djamenah ruhte rücklings auf einem Ergpolster, umgeben von Diagnoseapparaturen, ihrem Summen und Ticken, bläßlichem Fluoreszieren kaptonomischer Scanner, deren Funktionsanalysen auf Monitoren glommen, umringt von Spezialbiotikern und ihrem Schweigen. Sie beachteten die Patientin nicht, lauschten ausschließlich den Informationsströmen über fehlerhafte DNS- und RNS-Verkettungen, durch die Abtastimpulse der Schwärme von Partikelsonden, die Djamenahs Körper durchflitzten, registriert und dechiffriert, von den Computern in Daten umgewandelt und per direktionalisiertem Ultraschall ihren fachidiotischen Binär-Gehirnen übermittelt, deren medizinische Kompetenz sie bewertete und Empfehlungen zur Therapie auf die Bildschirme projizierte.
Auch Djamenah schenkte den Biotikern und all den Instrumenten keine Beachtung. Kühle und Stille der Diagnosekammer taten ihr wohl. Man hatte ihre Schmerzen lokal anästhesiert, fürs erste fühlte sie sich in diesem Raum von aller Bedrängnis abgeschirmt. Ihr Bewußtsein weilte im Weiß des Mandala.
Das Symbol des Sterns. Eine Organisation stand hinter den Attentaten. Loyer fran Brigge, Wallmond der Geküßte, Honorius Wolffen ... Nach wessen Plänen, mit welchem Ziel handelten sie? Sie haben mich benutzt, um von sich abzulenken. Mich manipuliert. Die ganze Zeit hindurch bin ich ihr Werkzeug gewesen. Vermutlich habe ich alles so gemacht, wie es ihren Zwecken am besten gedient hat. Und nun lag sie da wie ein Opfer und konnte nichts tun, als auf den Tod warten.
Sie brauchte keine Erläuterungen, um seine Unausweichlichkeit einzusehen. Wenn sie den Kopf drehte, fiel ihr Blick auf einen Monitorschirm mit dem Thermogramm ihres Organismus, einer Gesamtdarstellung der Verwüstungen, die der Vitalsymbiont in ihrem Leib anrichtete. Er saß als rotblauer Klecks über dem Herzen, seine Metastasen ließen sich in gleicher Färbung als Dutzende von Flecken und Gesprengseln im Bereich der Lungen, Nieren, Därme, von Magen und Leber sowie auf der Haut erkennen. Angesichts einer solchen Vielfalt von Tumoren und Karzinomen glichen die Bemühungen der Biotiker einer Bestandsaufnahme der Hilflosigkeit.
Djamenah hegte die Überzeugung, daß sie es der Absicht des Chef-Genetikus fran Brigge verdankte, an einen dermaßen entarteten Vitalsymbionten geraten zu sein. Als Chela hatte sie gelernt, an keinerlei Zufall zu glauben. Die Messianer lehrten, daß alles auf sichtbare und verborgene Weise zusammenhing. Und nur ein Grund kam für fran Brigges Grausamkeit in Frage: der Wunsch, ihren weiteren Verbleib zu verfolgen. Ihre wiederholten Aufenthalte in Hybridhäusern, zu denen der Chef-Genetikus zweifellos professionelle Verbindungen pflegte, hinterließen eine Spur von Krankheit und Leid.
Die Erkenntnis, daß jene Organisation nach wie vor daran Interesse hatte, zu erfahren, wohin sie ging, was sie tat, verhalf Djamenah zu einer neuen
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