Akte Atlantis
oberhalb und unterhalb des Tunnels Löcher ins Eis gebohrt. Sobald die im Voraus festgelegte Bohrtiefe erreicht war, unterbrach der Computer die Verbindung und gab den Maschinen keine weiteren Anweisungen mehr. In sechs Stunden, wenn nach Voraussage unserer Meteorologen ein starker ablandiger Wind aufkommt und günstige Strömungsverhältnisse herrschen, werden die Maschinen reaktiviert. Dann werden sie ihre Aufgabe vollenden und das Schelfeis vom Festland lösen, damit es hinaus aufs Meer treiben kann.«
»Wie lange wird das dauern?«, fragte Elsie.
»Keine zwei Stunden«, antwortete Holtz.
»Und zehn Stunden nach dem endgültigen Abbrechen«, erklärte Karl, »wird das Ross-Schelfeis weit genug vom antarktischen Kontinent abgetrieben sein, dass unter seiner Last die genau austarierte Erdachse aus dem Gleichgewicht gerät, was zu einer jähen Verlagerung der Pole und einer Krustenverschiebung führt, in deren Folge die ganze Welt verwüstet werden wird.«
»Eine Welt, die wir anschließend nach unseren Vorstellungen neu gestalten können«, sagte Elsie stolz.
Ein Mann in der schwarzen Uniform des Sicherheitsdienstes kam aus einem Büro gestürmt und lief auf sie zu. »Für Sie«, sagte er zu Karl und reichte ihm einen Papierstreifen.
Karl musterte das Blatt einen Moment lang mit finsterer Miene, dann wurde er nachdenklich.
»Was ist los?«, fragte Elsie.
»Ein Bericht von Hugo«, antwortete Karl langsam.
»Anscheinend nähert sich über die Amundsensee ein unbekanntes Flugzeug, das nicht auf unsere Funksprüche eingeht.«
»Vermutlich die Versorgungsmaschine für die Eisstation Little America«, sagte Holtz. »Keine Sorge. Die kommt alle zehn Tage.«
»Fliegt es immer über Walhalla hinweg?«, fragte Karl.
»Nicht direkt, aber es nähert sich bis auf ein paar Kilometer, wenn es zur Landung bei der Eisstation ansetzt.«
Karl wandte sich an den Wachmann, der die Nachricht überbracht hatte. »Bestellen Sie bitte meinem Bruder, dass er die näher kommende Maschine genau beobachten soll. Wenn sie von ihrem üblichen Kurs nach Little America abweicht, soll er mich unverzüglich verständigen.«
»Bist du besorgt, Bruderherz?«, fragte Elsie.
Karl schaute sie mit nachdenklicher Miene an. »Besorgt nicht, Schwesterherz, nur vorsichtig. Ich traue den Amerikanern nicht.«
»Die Vereinigten Staaten sind weit weg«, sagte Elsie. »Bis die Amerikaner eine Eingreiftruppe aufgestellt und sechzehntausend Kilometer weit bis zur Okuma Bay geflogen haben, vergehen mindestens vierundzwanzig Stunden.«
»Trotzdem«, sagte Karl, »sollten wir wachsam sein.« Er wandte sich an Holtz. »Können wir im Falle eines Sturmanövers den Befehl zum Abspalten des Eises früher erteilen?«
»Nein, nicht wenn wir garantiert Erfolg haben wollen«, erwiderte Holtz entschieden. »Wir müssen den ablandigen Wind und die Flut abwarten, da wir die Maschinen zum Auflösen der Eismoleküle erst kurz vor dem Höchststand reaktivieren können.
Anschließend wird die Ebbe das gewaltige Schelfeis hinaus aufs Meer tragen.«
»Dann haben wir ja anscheinend nichts zu befürchten«, sagte Elsie voller Zuversicht.
Karl senkte die Stimme. »Ich hoffe, du hast Recht, Schwesterherz«, sagte er leise und bedächtig.
In diesem Augenblick nahte ein weiterer Wachmann und reichte Karl eine Nachricht von Hugo. Er las sie, blickte auf und lächelte leicht.
»Hugo sagt, die amerikanische Versorgungsmaschine befindet sich auf ihrem üblichen Kurs, der sie in einer Entfernung von sechzehn Kilometern an unserer Anlage vorbeiführt, und fliegt in einer Höhe von zehntausend Metern.«
»Aus dieser Höhe kann man wohl schwerlich eine Eingreiftruppe absetzen«, sagte Holtz.
»Und kein Land auf dieser Erde würde es wagen, Raketen auf unsere Anlage abzufeuern, ohne das Unternehmen zuvor von seinen Nachrichtendiensten auskundschaften zu lassen. Das haben sie aber nicht geschafft. Hugos Sicherheitskräfte haben jeden Unterwanderungsversuch durchkreuzt und verhindert.«
»Durchkreuzt und verhindert«, wiederholte Karl. Doch insgeheim war er sich nicht so sicher. Er musste an den Mann denken, der ihm und seiner Familie schon viel zu oft in die Quere gekommen war, und fragte sich unwillkürlich, wo er wohl sein mochte.
37
Unter einer dichten grauen Wolkendecke landete ein NUMA-Jet auf dem eisigen Flugfeld und rollte zu einem Kuppelbau.
Little America V war die fünfte Eisstation der Vereinigten Staaten, die diesen Namen trug, seit Admiral Byrd 1928 die erste
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