Akte Atlantis
Schelfeises.
Karl Wolf betrat den weitläufigen Raum und blieb vor der riesigen elektronischen Tafel stehen, die von der Kuppeldecke hing. In der Mitte war das Ross-Schelfeis abgebildet. Eine Reihe kleiner Neonröhren markierte die Grenze zwischen Eis und Festland. Die Röhren, die sich von der Meerwasseraufbereitungsanlage rund um das Schelfeis zogen und auf der gegenüberliegenden Seite endeten, eine Strecke von knapp fünfhundert Kilometern, waren grün. Der übrige Abschnitt bis zum Rand des Rossmeeres war mit roten Lichtern gekennzeichnet.
»Muss der rote Bereich noch programmiert werden?«, fragte Karl Chefingenieur Jürgen Holtz, der zu ihnen herkam und sie mit einem zackigen Kopfnicken begrüßte.
»Ja, ganz recht.« Holtz hob die Hand und deutete auf die Tafel. »Wir sind gerade dabei, die Geräte zur Molekularumlagerung zu schalten. Rund fünfhundert Kilometer müssen noch programmiert werden, bis zu der Stelle, wo der Tunnel am Meer endet.«
Karl betrachtete die ständig wechselnden roten Buchstaben und Ziffern auf den Leuchtdioden rund um die Karte. »Wann ist es so weit?«
»Der letzte Arbeitsgang zum Abspalten des Schelfeises beginnt in genau sechs Stunden…«, Holtz hielt inne und blickte auf eine Reihe von Zahlen, die die verbleibende Zeit bis zum Weltuntergang anzeigten, »zweiundzwanzig Minuten und vierzig Sekunden.«
»Irgendwelche Schwierigkeiten, die zu einer Verzögerung führen könnten?«
»Nein, unseres Wissens nicht. Sämtliche Rechner und Sicherungssysteme wurden etliche Male untersucht und überprüft. Bislang gab es nicht die geringste Störung.«
»Eine erstaunliche technische Leistung«, sagte Karl leise, während er die bunten Röhren rund um das Schelfeis betrachtete. »Ein Jammer, dass die Welt nie etwas davon erfahren wird.«
»In der Tat eine erstaunliche Leistung«, wiederholte Holtz.
»Immerhin haben wir in zwei Monaten einen zweitausendzweihundert Kilometer langen Tunnel mit einem Durchmesser von drei Metern durch das Eis gebohrt.«
»Der Dank dafür gebührt Ihnen und Ihren Ingenieuren, die die Molekulartunnelmaschine entworfen und gebaut haben«, sagte Elsie und deutete auf ein großes Foto an der einen Wand. Auf dem Bild war eine dreißig Meter lange, kreisrunde Bohrmaschine mit einer Stoßramme und einem Förderband zu sehen. An der Vorderseite befand sich ein seltsam aussehendes Gerät, das bestimmte Molekularbindungen im Eis aufbrach, sodass eine Art körniger Pulverschnee entstand, der auf dem Förderband nach hinten, zum offenen Meer abtransportiert wurde.
Ein zweites Gerät verschmolz die winzigen Körner wieder zu festem Eis, das zum Auskleiden des Tunnels verwendet wurde.
Wenn die Maschine mit voller Kraft lief, konnte sie sich in vierundzwanzig Stunden achtzig Kilometer weit durchs Eis bohren. Jetzt, da sie ihren Zweck erfüllt hatte, stand sie unter einer immer dicker werdenden Eisschicht draußen vor der Meerwasseraufbereitungsanlage.
»Wenn das Eis geschmolzen ist, können wir mit der Bohrmaschine vielleicht Tunnel im Felsgestein anlegen«, sagte Karl nachdenklich.
»Meinst du, das Eis schmilzt ab?«, sagte Elsie verwundert.
»Wenn unsere Berechnungen auch nur zu fünfundneunzig Prozent stimmen, wird sich dieser Teil der Antarktis zwei Monate nach der Katastrophe knapp dreitausend Kilometer weiter nördlich befinden.«
»Mir ist immer noch nicht ganz klar, wie das vor sich gehen soll, dass das Eis abbricht und aufs Meer treibt«, sagte Elsie.
Karl lächelte. »Ich habe ganz vergessen, dass du in den letzten drei Jahren in geheimer Mission für die Familie in Washington tätig warst und die näheren Einzelheiten des Unternehmens Walhalla nicht kennst.«
Holtz hob die Hand und deutete auf die große Schautafel. »Ich will es Ihnen so einfach wie möglich erklären, Miss Wolf.
Unsere computergesteuerte Nanomaschine hat eine Vielzahl von molekularreplizierenden Assemblern hergestellt, die ihrerseits wiederum etliche Millionen Maschinen erzeugten, die die Molekularstruktur des Eises auflösen.«
Elsie wirkte nachdenklich. »Mit anderen Worten, die replizierten Assembler stellen durch die Manipulation von Molekülen Maschinen her, die so gut wie alles erzeugen können.«
»Das ist das Schöne an der Nanotechnologie«, erwiderte Holtz. »Der replizierende Assembler kann sich in wenigen Minuten kopieren. In knapp vierundzwanzig Stunden haben Tonnen von replizierten Maschinen, die Trillionen Atome bewegen, im Abstand von fünfzehn Zentimetern
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