Akte X
Die Rücklichter leuchteten für einen Moment rot auf, als der Fahrer bemerkte, was er angerichtet hatte, und dann, aus reiner Gehässigkeit, hupte der Mann mehrmals und fuhr davon.
Dorman kümmerte es nicht; er trottete weiter über den schlammigen Boden am Straßenrand, die Augen starr nach vorn gelichtet. In der Ferne verschwand die lange, kurvenreiche Straße in den bewaldeten Bergen. Er wußte nicht, wie viele Kilometer er schon seit Portland zurückgelegt hatte, aber er hoffte, bald eine Möglichkeit zu finden, schneller voranzukommen. Geld hatte er nicht, und ein Leihwagen hätte ihn sowieso nur der Gefahr ausgesetzt, identifiziert zu werden. Niemand wußte, daß er noch am Leben war, und so sollte es auch bleiben. Hinzu kam, daß er ich beim Fahren nicht unbedingt auf seinen aufsässigen Körper verlassen wollte...
Er passierte eine kleine ländliche Wiegestation, einen kleinen Schuppen mit einem Tor und einem roten Stopplicht für die Lastwagen. Die Rolläden waren heruntergelassen, und ein Schild, das aussah, als hinge es schon seit Monaten dort, verkündete: »Wiegestation geschlossen.«
Während Dorman weitertrottete, blickte er sehnsüchtig zu dem Schuppen hinüber. Er war bestimmt unbeheizt, ohne Nahrungsmittel oder sonstige Vorräte... aber dort drinnen war es trocken. Mit einem wehmütigen Seufzer stellte er sich vor, wie schön es wäre, dem Regen für eine Weile zu entkommen. Er war versucht, ein Fenster einzuschlagen oder die Tür einzutreten und sich einfach schlafen zulegen ... aber er wäre wahrscheinlich nicht mehr aufgewacht. Seine Zeit lief ab.
Er ließ die Wiegestation hinter sich zurück. In eine Richtung erstreckten sich verschlammte Kartoffelfelder, während sich auf der anderen Straßenseite ein Sumpf ausbreitete. Dorman schleppte sich weiter die sanft ansteigende Straße hinauf zu den Bergen.
Fremdartige, gespenstische Schatten geisterten wie statische Störungen durch sein Blickfeld. Die Nanomaschinen in seinem Körper pfuschten wieder an seinen Sehnerven herum, veränderten sie, verbesserten sie ... oder spielten nur mit ihnen. Er konnte schon seit Tagen keine Farben mehr erkennen.
Dormans Knochen schmerzten, aber er biß die Zähne zusammen. Er genoß fast den Schmerz - es war echter Schmerz, keine phantomhafte Nebenwirkung der Dinge, die die sich selbst programmierenden Maschinen mit seinem Körper anstellten.
Er beschleunigte seine Schritte und war so darauf konzentriert, sich weiterzuschleppen, daß er das laute Brummen des näherkommenden Lasters nicht einmal hörte.
Das Fahrzeug wurde lauter, ein riesiger Holztransporter, halb mit Kieferstämmen beladen, denen man die Borke entfernt und die meisten dickeren Äste abgesägt hatte. Dorman drehte sich um und starrte den Laster an, um dann an den äußersten Straßenrand zurückzuweichen. Der Fahrer ließ seine Scheinwerfer aufblitzen.
Dorman hörte das Dröhnen des Motors und das Zischen der Druckluftbremsen, als der Trucker die Gangschaltung betätigte und den Laster zehn Meter vor Dorman zum Halt brachte.
Er stand einfach da und starrte, konnte nicht glauben, was geschah, konnte sein Glück nicht fassen. Dieser Mann wollte ihn mitnehmen. Dorman rannte mit quatschenden, völlig durchweichten Schuhen los. Frierend schlang er die Arme um sich.
Der Fahrer beugte sich zur Seite und stieß die Beifahrertür auf. Der Regen stürzte weiter vom Himmel, prasselte auf die nassen Stämme, dampfte auf dem heißen Kühlergrill des Lasters.
Dorman packte den Griff der Tür und riß sie ganz auf. Sein Bein zitterte, als er es hob, um seinen Fuß auf das Trittbrett zu stellen. Endlich gewann er sein Gleichgewicht zurück und schwang sich hinein. Er war tropfnaß, erschöpft, durchfroren.
»Mann, Sie sehen elend aus«, stellte der Lastwagenfahrer fest. Er war untersetzt und korpulent, mit schmutzig blonden Haaren und blauen Augen.
»Ich fühle mich auch elend«, erwiderte Dorman und war überrascht, daß seine Stimme noch funktionierte.
»Na dann, elend fühlen können Sie sich auch hier drinnen in der Kabine. Wollen Sie irgendwo hin oder wandern Sie nur so herum?«
»Ich will schon irgendwo hin«, sagte Dorman. »So gut es eben geht.«
»Nun, Sie können bei mir mitfahren, solange es ihnen etwas nützt. Mein Name ist Wayne - Wayne Hykaway.«
Dorman sah ihn mißtrauisch an. Er wollte seine Identität nicht preisgeben. »Ich bin... David«, sagte er. Er schlug die Lastertür zu, schob seine Hände in die
Weitere Kostenlose Bücher