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Akte X

Akte X

Titel: Akte X Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antikorper
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durchweichten Taschen seiner zerschlissenen Jacke und kauerte sich zusammen. Hykaway hatte seine Hand ausgestreckt, zog sie aber schnell zurück, als er erkannte, daß Dorman nicht die Absicht hatte, sie zu schütteln.
In der Kabine war es warm und feucht. Aus den Lüftungsschlitzen fauchte heiße Luft. Die Scheibenwischer surrten hin und her und mühten sich, für freie Sicht zu sorgen. Aus den Lautsprechern einer viel zu teuren Stereoanlage drangen die Radionachrichten, von statischem Prasseln unterbrochen, da der Empfang hier draußen in der Wildnis schlecht war.
    Der Trucker packte den Schaltknüppel und legte einen neuen Gang ein. Mit einem Ächzen und dem Aufdröhnen
     
    des Motors setzte sich der Holztransporter wieder in Bewegung und folgte weiter der regennassen, ansteigenden Straße, die weiter oben zwischen den Bäumen verschwand.
    Während der Laster beschleunigte, konnte Dorman nur daran denken, daß er sich mit jeder Minute, jedem Kilometer seinem Ziel näherte. Obwohl er sich davor gefürchtet hatte, sich neben diesen Mann zu setzen, der nicht ahnte, welch tödliches Risiko er eingegangen war, dachte er jetzt nur noch an sein ultimatives Ziel, an Patrice, Jody und den Hund, die er unbedingt finden mußte. Koste es, was es wolle.
    Dorman lehnte sich zurück, sank gegen die Tür des Lasters und versuchte, die Schuld und die Furcht zu ignorieren, die er empfand. Wassertropfen rannen über sein Gesicht, und er blinzelte sie fort. Er hielt die Augen weiter starr nach vorn gerichtet und konzentrierte sich auf das Hin und Her der Scheibenwischer. Er versuchte, sich so weit wie möglich von Wayne Hykaway zurückzuziehen. Er durfte sich von dem Mann unter keinen Umständen berühren lassen. Eine Leiche mehr war ein Risiko, dem er sich nicht aussetzen wollte.
    Der freundliche Trucker schaltete das Radio aus und bemühte sich vergeblich, eine Unterhaltung anzufangen, aber als Dorman sich als schweigsam erwies, erzählte er einfach von sich selbst. Hykaway schwatzte über die Bücher, die er gerne las, über sein Hobby, die
Tai-Chi-Entspannungstechniken, und über seine frühere Tätigkeit als Arbeitslosentrainer.
    Hykaway hielt das Lenkrad des schweren Holztransporters mit einer Hand, während er mit der anderen die Belüftung und die Heizung neu einstellte. Als ihm der Gesprächsstoff ausging, schaltete er das Radio wieder ein, wählte einen anderen Sender und schaltete es enttäuscht wieder aus.
    Dorman konzentrierte sich auf seinen Körper, wandte seine Gedanken nach innen. Er spürte, wie sich seine Haut kräuselte und wellte, wie sich seine Muskeln wie von einem eigenen Willen beseelt bewegten. Er preßte die Ellbogen gegen seine Rippen und spürte den klammen Stoff seiner Jacke und die schlüpfrige Nanomaschinen-Trägerflüssigkeit, die aus seinen Poren quoll.
    Nachdem Dorman fünfzehn Minuten schweigend verdämmert hatte, musterte ihn der Trucker aus den Augenwinkeln und fragte sich, was für eine Art Psychopathen er in seiner Gutmütigkeit wohl mitgenommen hatte.
    Dorman wich seinem Blick aus und sah starr aus dem Seitenfenster - und dann verkrampften sich seine Eingeweide. Er krümmte sich zusammen und preßte die Hände gegen seinen Bauch. Er atmete zischend durch die Zähne. Unter seiner Haut bewegte sich etwas, wie ein Maulwurf, der sich durch seinen Brustkorb grub.
    »He, ist mit Ihnen alles in Ordnung?« fragte der Trucker.
    »Ja«, antwortete Dorman mühsam. Er preßte weiter die Hände gegen seinen Bauch, bis er wieder die Kontrolle über seine rebellierenden biologischen Systeme gewann. Gierig saugte er die Luft ein und atmete sie stoßweise wieder aus. Endlich ließen die Krämpfe nach.
Dennoch spürte er, wie sich seine inneren Organe bewegten, den neuen Freiraum erkundeten und gegen Stellen drückten, die sie nie hätten erreichen dürfen. Es war, als ob ein Sturm in seinem Inneren tobte.
    Wayne Hykaway warf ihm erneut einen Blick zu und konzentrierte sich dann wieder auf die regennasse Straße. Er hielt das Lenkrad mit beiden Händen so fest umklammert, daß die Knöchel weiß hervortraten.
    Dorman saß weiter schweigend da, preßte sich wie schutzsuchend gegen die harte Beifahrertür. Auf seinem Sitz bildete sich langsam eine Schleimpfütze.
     
    Er wußte, daß er jeden Moment wieder die Kontrolle über sich verlieren konnte. Mit jeder Stunde fiel es ihm schwerer und schwerer, sich zusammenzureißen...

24 Max' Gemischtwarenhandlung und Kunstgalerie, Colvain, Oregon Donnerstag, 12:01

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