Akte X
Mulder hörte, wie das fremde Gefährt seine Ausgrabung fortsetzte, unbeeindruckt von der schwer bewaffneten US-Einheit, den mittelamerikanischen Guerillas und den FBIAgenten. Der mächtige Strahl zerlegte die weiträumige Pyramide von oben nach unten, beseitigte eine Ebene nach der anderen, mühelos wie ein Kind, das ein Haus aus Bauklötzen abträgt.
Überwältigt begriff Mulder, daß seine Spekulationen richtig gewesen waren: Kukulkan war nie gerettet worden, weil seine Tiefschlafkammer versagt hatte und ihm statt dessen zum Grab geworden war – doch Cassandras Mißgeschick hatte sein Volk alarmiert, das nun ein Rettungsschiff sandte, um das Wrack zu bergen.
Der Erdboden bäumte sich auf, als das strahlende Raumfahrzeug die Überreste der Pyramide verwüstete. Panische Schreie ertönten aus dem Dschungel und von den überlebenden US-Soldaten.
Cassandra stöhnte wieder. »Bitte... macht sie nicht kaputt!«
»Ich kann nicht viel dagegen tun«, erwiderte Mulder, während er versuchte, Einzelheiten durch die Spalten seiner Finger zu erkennen. Das Licht im Bauch des schwebenden Schiffs wurde heller, heißer. Weitere gleißende Strahlen kamen zum Vorschein. Sprachlos vor Staunen starrte Mulder auf das Spektakel und nahm alle Details in sich auf.
Schließlich lag die innere Pyramide offen da – das ursprüngliche Bauwerk, das um das Wrack herum errichtet worden war. Plötzlich wurde es wieder dunkel, so daß Mulder die Orientierung verlor, während sich das Rettungsschiff lautlos über ihm bewegte. Er vermutete, daß es mit seinen Sensoren bohrte, tastete... und dann zuckten die blendenden Strahlen wieder hervor und trugen mit titanischen Kräften Schicht um Schicht der Steine ab, um die Überreste von Kukulkans altem Schiff freizulegen.
Die Erde brach auf und bebte – bis schließlich das durchdringende Licht aus dem schwebenden Schiff die Reste des abgestürzten Raumfahrzeugs aus dem Boden riß. Mulder wurde zur Seite geschleudert, als Metallträger und geschwungene Verschalungen das Fundament des Gebäudes durchbrachen, das einmal die große Pyramide von Xitaclan gewesen war. Trotz des Risikos zu erblinden starrte Mulder weiter in das Licht, das heller als die Sonne war, doch er konnte nicht anders – er mußte sehen, wie das Rettungsschiff Kukulkans Wrack aus dem Boden hob... wie ein Blutpriester der Maya, der das Herz seines Opfers dem Himmel zeigt.
Ringsumher prasselten Erde und Steine nieder. Mulder duckte sich, irritiert von den heransausenden Schatten der herabfallenden Trümmer.
Die zerstörten Überreste des Wracks trotzten der Schwerkraft und erhoben sich in die Luft. Das leuchtende Rettungsschiff gewann mit verblüffender Geschwindigkeit an Höhe und zog das Skelett aus Metallträgern mühelos mit sich empor. Schutt und Staub rieselten zu Boden, ein Wasserfall aus Geröll, der das ganze Gelände überspülte.
Mit ausgedörrtem Mund stierte Mulder zum Himmel empor und begriff, daß alle unwiderlegbaren Beweise für seine Theorie zu den Sternen entschwanden... und damit für immer unerreichbar wurden. Das Rettungsschiff war gekommen – ein Soldat, der die feindlichen Linien überschreitet, um die Toten zurückzuholen. Mulder hatte keine Vorstellung, wohin das Raumfahrzeug fliegen mochte und welche Nachkommen um Kukulkans mumifizierte Überreste trauern würden.
Tränen brannten in seinen Augen, als sich das helle Licht verdichtete und zu einem blendenden Komet zusammenschrumpfte, der in die Nacht davonschoß und nichts zurückließ als bunte Nachbilder auf seiner Netzhaut.
Erst jetzt fiel Mulder ein, daß der mexikanische Polizeichef immer noch in einer der Rettungskammern gefangen war. Vielleicht würde Barreio die Reise überleben, vielleicht war er aber auch schon während der Ausgrabung des Wracks getötet worden. So oder so... das außerirdische Raumschiff nahm den Rebellenführer mit auf die Reise.
Betäubt betrachtete Mulder den klaffenden Krater, der dort zurückgeblieben war, wo sich die Pyramide befunden hatte.
»Den wären wir los...«
35
Ruinen von Xitaclan Mittwoch, 4.19 Uhr
Mit dem Gefühl, hilflos in der Falle zu sitzen, kauerte Scully im imaginären Schutz des Zeltes, während sie dem Tumult draußen lauschte, einem Getöse der Vernichtung, als wäre das Ende der Welt gekommen... oder zumindest die mittelamerikanische Version der letzten Tage von Pompeji.
Sie hörte Explosionen und den Aufprall von Steinen, doch der Mörserbeschuß schien nicht die Ursache zu sein. Die Soldaten hatten
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