Akte X
sich offensichtlich in Deckung gebracht, und der Granatwerfer war verstummt. Einige weitere Kugeln hatten Löcher wie winzige Oberlichte in die Spitze ihres Zeltes gerissen. Von Major Jakes und seinen Männern war nichts mehr zu hören.
Sie überlegte, wie lange sie warten sollte, bevor sie einen Ausfall wagte. Es war ihr zuwider, zur Tatenlosigkeit verdammt zu sein. Jakes hatte sie eingesperrt, weil sie eine Frau war, eine Zivilistin – doch während sie hier im Zelt hockte, waren ihre Überlebenschancen nicht wesentlich größer als die der kämpfenden Männer. Ebensogut konnte sie sich auf den Weg machen, über die Plaza, zu den Ruinen, in den Dschungel, um nach Mulder zu suchen.
»Genug gewartet«, murmelte sie. »Ich verschwinde hier.«
Scully riß die Zeltklappe auf und kroch ins Freie, wobei sie sich dicht am Boden hielt und jeden Moment damit rechnete, daß einer der Soldaten sie abfangen würde. Wenn Major Jakes noch mehr unter Druck geraten war, würde er sie vielleicht sogar mit seinem Gewehrkolben k.o. schlagen, nur um sie in Schach zu halten – zu Ihrem eigenen Schutz, Ma’am.
Doch niemand bemerkte sie. Sie kauerte neben dem Zelt, bereit, jeden Augenblick in Deckung zu hechten. Doch es waren keine Schüsse zu hören, keine Querschläger, die über die Steinplatten jaulten.
Mit unsicheren Bewegungen erhob sie sich und blinzelte in das unsichere Licht des brennenden Dschungels. Xitaclan schien unter einem betäubenden Schock zu zittern.
Scully fand Major Jakes, wo er gefallen war. Hochkalibrige Geschosse hatten seine Brust zerrissen. Er lag ausgestreckt in seinem Blut, das die Steinplatten verfärbte wie ein weiteres Opfer für die alten MayaGötter. Selbst im Tod blieb sein Gesicht ausdruckslos, als wäre auch das ein Teil seiner geliebten Mission.
Am Rande der Lichtung tauchte ein Soldat auf und rannte auf sie zu, im Zickzack an herabgefallenen Steinquadern und entwurzelten Bäumen vorbei, die Uniform zerrissen und verschmiert. Seine Waffe hing ohne Munition an seiner Schulter. Auch die Haken an seinem Munitionsgurt waren leer, als hätte er bereits all sein Pulver verschossen.
»Wir werden aus der Luft angegriffen«, rief er ihr zu. »Ich habe so etwas noch nie gesehen... wir können keinen Widerstand leisten! Sie haben bereits die Pyramide zerstört.« Schweiß tropfte von seinem Gesicht, und das Weiß in seinen weit aufgerissenen Augen leuchtete gespenstisch.
Dann blickte er hinab und sah die blutüberströmte Leiche seines Kommandanten. »Oh, Scheiße«, stöhnte der Soldat und wurde verlegen. »Entschuldigen Sie den Ausdruck, Ma’am.«
»Nennen Sie mich nicht Ma’am«, murmelte sie in
Erinnerung an ihre letzten Worte zu Jakes.
»Okay, Zeit für den Abzug!« Der Soldat warf Scully
einen letzten gehetzten Blick zu und gab seinen unsichtbaren Kameraden ein Zeichen. »Ma’am, Sie sollten lieber versuchen, diesen Ort so schnell wie möglich zu verlassen, bevor dieses... Fluggerät zurückkommt. Sie können bei jeder offiziellen Stelle Asyl beantragen. Wir haben diese Option nicht... Wenn wir gefangen werden, sind wir tot, und es sind nur noch drei von uns übrig.«
Ohne ein weiteres Wort spurtete der Soldat zurück über die Plaza und verschwand im Schutz der Bäume. Wie von unsichtbaren Schnüren gezogen drehte Scully sich um und starrte dorthin, wo sich noch vor wenigen Stunden die stolze Pyramide von Xitaclan erhoben hatte – und wo nun ein rauchender Krater gähnte.
»Mein Gott«, preßte sie hervor und verspürte den unbändigen Drang, sich zu bekreuzigen. Der Schutt lag in Haufen herum, massive Blöcke, die durch gigantische Kräfte Hunderte von Metern weit geschleudert worden waren. Sie sah hinab auf die reglose Gestalt des Majors. »Es sieht aus, als ob Sie Ihren Auftrag erfüllt hätten, Major Jakes.«
Doch tief in ihrem Inneren argwöhnte sie, daß kein noch so heftiger Mörserbeschuß das jahrhundertealte Bauwerk so vollständig, gründlich und endgültig dem Erdboden hätte gleichmachen können. Sie dachte an die Worte des Soldaten... ein Angriff aus der Luft war eine plausiblere Erklärung. Der Luftschlag einer anderen Militärmacht, ein Bombenangriff... oder gar die Explosion einer weiteren taktischen Nuklearwaffe?
»Scully!« Eine Welle der Erleichterung durchflutete sie. Mulder... er lebte. »Scully, hier drüben!«
Sie sah ihren Partner, verdreckt und erschöpft, wie er eine andere Frau mit sich zerrte. Stolpernd bahnten sich die beiden ihren Weg über die
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