Akte X Novel
meine.“
Mulder ging zurück zur Broad Street, wobei er versuchte, sich ein Bild von dem zu machen, was
sich in der vergangenen Nacht hier zugetragen hatte. Hatten die beiden Männer in der Seitenstraße möglicherweise einen Kontaktmann treffen wollen? Waren sie deshalb gestorben? Oder kamen sie aus der Broad Street und waren auf der Flucht vor... was auch immer sie dann getötet hatte? Er sah sich um, während er die verschiedenen Szenarien im Geist durchspielte.
Etwas weiter die Straße hinauf erregte eine ältere Frau Mulders Aufmerksamkeit. Sie sah sich nervös nach ihm um, so als hätte sie Angst. Mulder fragte sich, was ihr Sorge bereiten mochte. Schließlich hatte er freundliche Züge und ein ordentliches Erscheinungsbild; er war gewiß nicht der Typ, der kleine alte Damen in Angst und Schrecken versetzte. Doch gleich darauf verstand er – die Frau hob Geld von einem Automaten ab. Vermutlich befürchtete sie, daß er hier herumlungerte und nur darauf wartete, sie auszurauben.
Er blieb noch so lange stehen, bis die alte Dame fortgegangen war, ehe er sich dem Geldautomaten näherte. Als er vor dem Gerät stand, kam ihm ein Gedanke...
Am nächsten Morgen befanden sich Mulder und Scully in der Außenstelle des FBI in Philadelphia. Mulder saß vor einem Videorekorder und einem Bildschirm. Videoaufnahmen flimmerten über die Mattscheibe. Sie zeigten Personen, die Transaktionen an dem Geldautomaten in der Broad Street durchführten, und in der unteren Ecke des Bildschirms waren Datum und Zeitpunkt des jeweiligen Vorgangs eingeblendet. Mulder betrachtete eine Aufnahme vom 22. 7. 97, 21:30, die inzwischen etwa sechsunddreißig Stunden alt war.
„Die Transaktionen werden täglich auf Band aufgezeichnet“, erklärte er, als Scully sich zu ihm gesellte.
Scully hatte eine Mappe bei sich, die sie von der Bank erhalten hatte. In ihr waren, mit vollem Namen und Adresse sowie ihren jüngsten Bankgeschäften, alle Kunden aufgeführt, die den Automaten an diesem speziellen Abend benutzt hatten. „Wir werden jeden auf dieser Liste befragen müssen, der gestern abend vor 10 Uhr den Automaten benutzt hat.“
Die Aufnahmen wechselten sich immer noch ab wie bei einer Diavorführung. Eine Person nach der anderen erschien, drückte auf Tasten, hob Geld ab oder zahlte etwas ein. Es war immer die gleiche Prozedur, und es war entsetzlich langweilig.
Mulder fragte sich langsam, ob sein Gefühl ihn in eine Sackgasse geführt hatte, während immer neue Aufnahmen über den Bildschirm flimmerten. Eine junge Frau stand vor dem Automaten. Sie deponierte etwas und war gerade dabei, Geld von ihrem Konto abzuheben, als sie von zwei dunkelhaarigen Männern attackiert wurde.
Mulder richtete sich ruckartig auf. Plötzlich war er hellwach. „Da!“ rief er. „Lassen Sie mich das Band zurückspulen.“
Mit der Fernbedienung sprang er Bild um Bild zurück, bis die Aufzeichnung der jungen Frau und ihrer zwei Angreifer wieder auf dem Bildschirm erschien.
Gemeinsam mit Scully studierte er das Bild. Die beiden Männer waren definitiv dieselben, die sie in der Leichenhalle des Krankenhauses in Bethesda gesehen hatten.
Scully sah unter der angegebenen Zeit in ihrer Transaktionsliste nach. „Die Frau heißt Lauren Kyte“, erklärte sie. „1500 Franklin, Bensalem. Sie hat einen Scheck deponiert und vierzig Dollar abgehoben.“ Scully verstummte kurz, dann fragte sie: „Warum sollte Isfahan versuchen, jemanden wegen vierzig Dollar an einem Geldautomaten zu überfallen?“
„Sehen Sie sich das an“, sagte Mulder. Sein Finger deutete auf eine sonderbar verschwommene Stelle auf der Aufnahme. Hinter Lauren und den beiden Männern war eine nebelhafte Gestalt auszumachen. Sie schien menschliche Umrisse zu haben, aber irgendwie auch nicht. Es sah so ähnlich aus wie die verwischten Streifen, die von einem Objekt hinterlassen werden, daß sich während einer fotografischen Aufnahme zu schnell bewegt hat.
Scully betrachtete das Bild eingehend. „Da war noch eine andere Person beteiligt.“
„Vielleicht...“, entgegnete Mulder. „Vielleicht auch nicht.“
Scully sah ihn skeptisch an, doch Mulder begegnete ihrem Blick mit unerschütterlicher Zuversicht, also wandte sie sich wieder dem Bildschirm zu.
„Die Auflösung ist nicht gut genug“, bemerkte sie. „Es lohnt sich nicht, das zu vergrößern.“
„Damit bleibt uns nur eine Person, mit der wir sprechen können“, folgerte Mulder.
5
Lauren Kyte bahnte sich einen Weg durch die Kartons, die sie in
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