Akte X
auch den ganzen Ozean versaut. . . vielleicht gab es dann gar keinen Ort mehr, wo man dem Dreck entkommen konnte.
Doch plötzlich dachte Craig nicht mehr an seinen Job.
Und auch nicht an Shirley.
Und schon gar nicht an den Geschmack in seinem Mund.
Er fühlte sich, als hätte er einen Schlag in den Magen erhalten.
Aber nicht von außen - sondern von innen!
„Ugghh!" stöhnte er und krümmte sich nach vorne. Er mußte sich an der Duschwand abstützen, um nicht in die Knie zu brechen.
Dann traf es ihn wieder. Es schien aus der Tiefe seiner Lungen zu kommen ... er kriegte kaum noch Luft und mußte heftig husten. Er japste und fing sich noch einmal mit letzter Kraft.
Doch es kam noch schlimmer.
Erst rann das Blut nur tropfenweise, dann schoß es in einem dicken Schwall aus seinem Mund.
Und dann fühlte er, wie noch etwas anderes hochkam. Etwas Lebendes, etwas Zappelndes. Es glitt über seine blutverschmierte Zunge und wand sich zwischen seinen Lippen hervor.
Er starrte an seiner Nase vorbei auf einen schleimigen, weißen Kopf, der aus seinem Mund kroch und einen langen, wurmartigen Körper nachzog.
Craig schwankte vor Schmerz und Ekel, während der Wurm aus seinem Mund glitt und in die Duschwanne platschte, um sich durch das blutige Wasser zu schlängeln und dann im gurgelnden Abfluß zu verschwinden.
12
„Willkommen bei der städtischen Abwasserzentrale, Agent Mulder", sagte Ray Heintz herzlich, nachdem Mulder sich vorgestellt hatte.
Ray war der Vorarbeiter im Klärwerk von Newark. Seit er diesen Job hatte, war er von Freunden und Verwandten immer wieder gehänselt worden, doch mittlerweile hatte er gelernt, Feuer mit Feuer zu bekämpfen und die Witzeleien abzuwehren.
„Wunderhübsch haben Sie es hier", kommentierte Mulder, während er sich im Kontrollraum des Klärwerks umsah. Alles war klinisch sauber, und die Luft roch süßlich. Die Computerbildschirme zeigten den Arbeitern, daß in den Kanälen alles in Ordnung war - nichts wies darauf hin, daß durch diese Rohre flüssiger Unrat strömte. Dem Abwasser wurden in großen Tanks Chemikalien zugesetzt, um die Bakterien abzutöten, dann floß es weiter durch ein langes Rohrsystem, bis es schließlich das Meer erreichte.
„Unsere Technik ist auf dem allerneuesten Stand", erläuterte Ray. Er war ein kleiner, untersetzter Mann mit dunklem Bart und dicken Brillengläsern, und er sprach extrem schnell, egal ob er nun einen Witz machte oder sachliche Informationen weitergab. „Wir setzen wirklich nur die modernsten Methoden ein. Das müssen wir sogar, weil immer mehr Abwasser anfallt. Unser größtes Problem ist, daß ein Teil der Kanalisation schon sehr alt ist. Stammt noch aus der Zeit um die Jahrhundertwende."
Ray drehte sich um und grinste einen Mann an, der gerade an ihnen vorbeischlurfte. Er war schon älter, bewegte sich recht langsam und hatte es offenbar nicht besonders eilig, hier herauszukommen.
„Ich sagte gerade, daß ein großer Teil der Abwasserrohre schon ziemlich veraltet ist. Stimmt doch, Charlie, oder?" sprach Ray ihn an. „Da läuft die Brühe genauso langsam wie du."
„Oh ja, Sir", bestätigte Charlie mit leiser Stimme. Daß seine Antwort so knapp ausfiel, hatte nichts mit seinem Alter zu tun, sondern eher mit Rays Witz, den er nun schon zum hundertsten Mal zu hören bekam. Während er sich den Weg durch seine hektischen Kollegen im Kontrollraum bahnte und dann durch die große Doppeltür verschwand, verzog er keine Miene.
Da die Tür offenstand, wehte ein übler Geruch in den Raum, begleitet vom Dröhnen der Turbinen. Das Abwasser floß ständig weiter, weshalb die Turbinen im Dauerbetrieb liefen.
„Charlie arbeitet hier schon seit der Zeit vor der Sintflut", wandte sich Ray wieder an Mulder. „Ich wage gar nicht daran zu denken, wieviel Schmutzwasser schon vor seinen Augen vorbeigeflossen ist. Ganz zu schweigen von seiner Nase. Ich glaube, es gibt nichts, was er noch nicht gesehen hat. Wenn Sie Fragen zum Arbeitsablauf haben, wenden Sie sich am besten direkt an ihn. Er ist ständig draußen und beobachtet, was da alles so vorbeirauscht."
Mulder rümpfte die Nase und schüttelte den Kopf. „Ich glaube, das wird nicht nötig sein. Sie werden mir schon die Antworten geben können, die ich brauche. Es geht eigentlich nur um die typischen Routinefragen bei einer typischen Routineermittlung."
„Ich freue mich, wenn ich Ihnen helfen kann. Und glauben Sie mir, ich erzähle Ihnen keinen. .. Scheiß."
Mulder grinste verhalten. Insgeheim
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