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Akunin, Boris - Pelagia 01

Akunin, Boris - Pelagia 01

Titel: Akunin, Boris - Pelagia 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pelagia und die weissen Hunde
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blieb aber stehen.
    »Sie sind doch gewiss Schwester Pelagia, die Abgesandte des hochwürdigen und allerheiligsten Bischofs Mitrofani? Wie ich weiß, sind Sie untergebracht in dem Kämmerchen, welches zuvor ich innegehabt, und das freut mich sehr, maßen Sie eine wahrhaft würdige Person sind. Ich selbst habe mein Obdach im Seitenflügel, unter den Knechten und Dienern, was mir zu verstehen gibt: Verlasse diesen Platz, du bist nicht würdig, hier zu sein. Ich gehorche ohne Murren, eingedenk der Worte des Propheten: Wenn sie euch aber in einer Stadt verfolgen, so fliehet in eine andere.«
    »Warum gehen Sie nicht hinein zu Marja Afanassjewna?«, fragte die Nonne, die das Gehörte verlegen machte.
    »Ich traue mich nicht«, sagte Selig sanft. »Ich weiß, dass mein Anblick der edlen Herrin zuwider ist, auch hat mein geehrter Dienstherr Wladimir Bubenzow mir befohlen, hier zu warten, vor der Tür des Gemachs. Erlauben Sie, dass ich Ihnen öffne.«
    Er wich endlich zur Seite und öffnete Pelagia den Türflügel, dabei brachte er es fertig, ihr die feuchten Lippen auf die Hand zu drücken.
    Im Zimmer saß neben dem Bett ein schlanker, eleganter Herr, der hatte ein Bein über das andere geschlagen und wippte mit dem kleinen schmalen Fuß. Auf das Geräusch hin drehte er sich um, sah, dass es die Nonne war, wandte sich wieder der Frau im Bett zu und setzte die unterbrochene Rede fort:
    »Kaum hatte ich erfahren, Tantchen, dass Ihr Leiden sich verschlimmerte, da ließ ich alle Staatsgeschäfte fahren und bin hergeeilt. Korsch hat es mir gesagt, der Advokat. Er kommt morgen früh zu Ihnen. Aber was machen Sie denn für Sachen? Schämen Sie sich was. Ich will Sie doch unter die Haube bringen, habe schon einen Bräutigam ausgeguckt, einen friedlichen alten Mann. Der muckst sich nicht, pariert Ihnen aufs Wort.«
    Erstaunlich – die Antwort war ein schwaches, doch eindeutiges Lachen. »Also weißt du, Wolodja! Einen alten Mann? Der kann doch wohl nicht viel taugen?«
    Du? Wolodja? Pelagia traute ihren Ohren nicht.
    »Und ob er was taugt!« Bubenzow lachte mit blitzenden weißen Zähnen. »Er ist auch ein General, wie der verstorbene Onkel. Sooolch ein Schnauzbart, Reckenbrust, und wenn er Mazurka tanzt, ist er nicht zu halten.«
    »Was du immer zusammenredest!« Frau Tatistschewa lachte klirrend, bekam einen Hustenanfall und konnte lange nicht verpusten. »Ach, du bist mir ein Schelm. Denkst dir was aus, um mich alte Frau zu erheitern. Und ich fühl mich tatsächlich besser.«
    Die Anwesenheit Bubenzows schien der Kranken wirklich wohl zu tun, denn sie fragte Pelagia gar nicht nach Sakussai.
    Es sah ganz so aus, dass der böse Inspektor, über den Pelagia so viel Scheußliches gehört hatte, auch vom Bischof selbst, gar nicht solch ein Satan war. Die Nonne fand Bubenzow ganz annehmbar: gesellig, fröhlich und gut aussehend, besonders wenn er lächelte.
    Mochte er noch bei der Kranken sitzen und sie von ihren finsteren Gedanken ablenken.
    Bubenzow schilderte nun aufs amüsanteste, wie Selig den wilden Murad zum Christentum zu bekehren suchte, zu Ungunsten des mohammedanischen Halbmonds, und Pelagia retirierte leise zum Ausgang, um nicht zu stören.
    Sie stieß die Tür auf, die gegen etwas prallte, das sofort nachgab. Im Korridor richtete sich Tichon Selig aus tiefer Bücke auf. Er hatte gehorcht!
    »Sündig bin ich, Mütterchen, die Sünde der Neugier plagt mich«, murmelte er und rieb die geprellte Stirn. »Ich bin sehr beschämt und entferne mich.«
    Zwei Späher unter einem Dach, ist das nicht zu viel?, dachte Pelagia und sah ihm nach.
    Am Abend trafen sich alle wie gewöhnlich auf der Terrasse beim Samowar. Bubenzow benahm sich ganz anders als im Schlaf gemach der Hausherrin. Er lächelte nicht, war zurückhaltend, unfreundlich – kurz, er gab sich wie ein Mensch, der seinen Wert kennt und weitaus höher einschätzt als den der anderen. So gefiel er Pelagia schon viel weniger. Eigentlich überhaupt nicht.
    Es fehlten nur Frau Tatistschewa, die von Tanja im Schlafzimmer mit Tee versorgt wurde, und von den Dauergästen Sytnikow, der gleich nach Ankunft der schwarzen Kutsche seinen Hut und seinen Stock genommen hatte und gegangen war – bis zu seinem Sommerhaus waren es drei Werst zu Fuß durch den Park, über eine Wiese und ein Feld. Pelagia hatte sich zunächst gewundert, doch dann fiel ihr ein, was sie über den Wortwechsel zwischen Sytnikow und Bubenzow zum Thema der unzivilisierten Altgläubigen gehört hatte, damit war

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