Al Wheeler und die Callgirls
noch viel nackter aussehen als jetzt.«
Sie glitt vom Barhocker und begann, den Reißverschluß der schwarzen Seidenhose
über einer Hüfte aufzuziehen.
»Halt, halt!« Ich packte mit
festem Griff die Kante der Bar während ich aufstand. »Sie verschwenden Ihre
Zeit. Ich wollte gerade gehen.«
»So bald?« Ihre Augen
betrachteten mich ein paar Sekunden lang prüfend unter den gesenkten Lidern
hervor. Offensichtlich war sie verblüfft. »Was ist mit Ihnen los, Wheeler? Sind
Sie ein Homo oder was sonst?«
»Lediglich ein Polyp«, sagte
ich, aber das schien irgendwie nicht die richtige Antwort zu sein, und so
versuchte ich es mit einer Erklärung. »Lisa, Sie sind eine sehr schöne Frau mit
einem sehr schönen Körper, und im Bett sind Sie sicher eine Wucht. Aber wo
bleibt die Schlacht?«
»Schlacht?« Sie blinzelte ein
wenig.
»Der Kampf, die Eroberung?«
knurrte ich. »Ein paar Minuten nachdem ich zu Ihrer Wohnungstür hereingetreten
war, haben Sie mir alles, restlos alles angeboten. Zufällig bin ich
Polizeibeamter. Aber was spielt das für eine Rolle? Es war Ihnen offensichtlich
völlig egal, ob ich der Milchmann, der Bursche von nebenan, der sich eine Tasse
Zucker ausleihen wollte, oder der Fernsehmechaniker war!«
»Sie wollen umworben sein,
Schätzchen?« Sie lächelte strahlend und schlängelte sich mit Bewegungen, die
eine einzige erotische Symphonie bildeten, aus der schwarzseidenen Shakehose.
Somit stand sie nur mit ihrem durchsichtigen Büstenhalter und einem schwarzen
Unterhöschen da, das nicht nur eng anlag, sondern auch ebenfalls durchsichtig
war. Damit blieb mir nur noch die Wahl, entweder ihre Wohnung zu verlassen oder
den Verstand zu verlieren. Nächst der Dienstmarke und einer Pistole ist der
Verstand der wichtigste Aktivposten eines Polizeibeamten, und so strebte ich in
schnellem Lauf dem Eingangsflur zu.
»Al? Was ist denn los? Haben
Sie Ihre Reitstiefel vergessen, oder was ist sonst in Sie gefahren?«
4
Die Telefongesellschaft hatte
mir den Namen Landau im Zusammenhang mit der Nummer in Kutters kleinem schwarzen
Notizbuch gegeben, und ein Grundstücksmakler aus Vista Valley gab mir die zu
Burt Evans gehörige Adresse. Es war kurz nach fünf Uhr am selben Nachmittag,
als ich meinen Wagen in der Zufahrt parkte und auf die Haustür zuging. Das Haus
war keine Villa wie die von Kutter, aber es war auch nicht gerade eine
Bruchbude. Ich drückte auf den Klingelknopf und lauschte auf das wirklich
vornehme Glockengeläute, das daraufhin gedämpft aus dem Innern drang. Der
Portiko über der Haustür lag gegen Westen zu, und die sengend heiße Luft
versengte jedesmal, wenn ich Atem holte, beinahe meine Lungen. Dann öffnete
sich die Tür und etwas, was wie eine Operettenkönigin aussah, stand mit
leidendem Gesichtsausdruck da, als ob ich sie eben mitten im Hüftenschwenken
gestört hätte. Sie war — wohlwollend geschätzt — fünfunddreißig, mit
rosagestreiftem, blondem Haar, das des Bürstens bedurft hätte, und einem
Gesicht, das sich der Rotbäckigkeit näherte. Das zitronenfarbene Oberteil und
die dazu passenden Shorts enthüllten entschieden eine Figur, die bereits das
Stadium der Fülle erheblich überschritten hatte und sich dem des
Überwältigenden näherte.
»Ich habe mich eben ein wenig
ausgeruht«, sagte sie mit einer Art volltönendem Knurren. »Was ist denn so
verdammt wichtig, daß Sie mich hier herauslotsen?«
»Burt Evans«, erklärte ich.
»Er ruht sich ebenfalls aus.«
Ihr Lächeln hatte etwas Gehässiges. »Wenn ich ihn aufwecke, wird er
wahrscheinlich so wütend, daß er Ihnen das Gesicht zerstampfen wird.«
»Das Gesicht eines
Polizeibeamten zu zerstampfen ist nicht nur ungesetzlich, in diesem County ist
es zudem nicht erlaubt«, sagte ich, zeigte ihr meine Dienstmarke und erklärte
ihr, wer ich bin.
Sie war nicht sonderlich
beeindruckt, aber sie forderte mich immerhin auf, einzutreten. Ich wartete in
einem Wohnzimmer, das dieses bestimmte unpersönliche Aussehen des Inneren aller
gemieteten Häuser hatte, und zwei Minuten schleppten sich dahin, ohne daß von
Evans oder der rotbäckigen Blonden irgend etwas zu sehen oder zu hören war. Ich
ließ mich auf einem geradlehnigen Stuhl nieder, der anscheinend vom Marquis de
Sade entworfen worden war, und rauchte zwei weitere Minuten weg. Dann öffnete
sich die Tür, und ein junger Bursche von höchstens fünfundzwanzig kam ins
Zimmer geschlendert.
Er trug sein sorgfältig
gebürstetes blondes Haar für
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