Al Wheeler und die gespenstige Lady
armen George, der ihm nicht
entkommen konnte, einen Zuhörer zu finden.
Justine ging vor mir her zu Marthas Zimmer,
während ich den Apparat hinterhertrug. Sie klopfte gebieterisch an die Tür, und
Martha erkundigte sich mit ärgerlicher Stimme, wer draußen sei.
»Ich,
Darling«, sagt Justine vergnügt, »deine große
Schwester .«
»Mach,
daß du wegkommst !« Marthas Stimme klang verdrossen.
»Du fette Wachtel !«
»Ob’s
dir paßt oder nicht, ich komme hinein«, rief Justine fröhlich. Sie öffnete die Tür und fegte hinein. Der Ausdruck finsterer Wut auf
Marthas Gesicht verwandelte sich in Überraschung, als sie mich hinter Justine ins Zimmer treten sah und ich das Tonbandgerät
sorgfältig auf den Tisch stellte.
»Was
wollen Sie ?« fragte sie vorsichtig.
»Ich
möchte, daß Sie zuhören, wenn ich das Band hier ablaufen lasse«, sagte ich.
»Und hinterher wollen wir uns darüber unterhalten .«
Ich
drückte auf die Taste und stellte die Lautstärke so ein, daß man im Erdgeschoß
nichts hören konnte. Es war nicht gerade ein Riesenvergnügen, Marthas Gesicht
zu beobachten, während das Band ablief. Selbst Justine verlor nach zwei Minuten allen Spaß daran. Ich hatte
nie geglaubt, daß Martha in Slocombe rasend verliebt
gewesen war, aber zeitweise hatten sie sich doch wohl sehr nahegestanden; und
sie mußte es eigentlich als ausgemachte sadistische Tortur empfinden,
dazusitzen und mit anzuhören, wie seine Stimme in flehendem Ton mit einem
Gespenst sprach.
Als
der Entsetzensschrei am Schluß erfolgte, sprang Martha auf, preßte die Hände
gegen die Ohren und schluchzte unbeherrscht los. Justine nahm sie wie ein kleines Kind in die Arme, setzte sich dann in einen Stuhl und
streichelte sie, bis sie sich beruhigte.
»Hatte
es irgendeinen tieferen Sinn, daß Sie sie gezwungen haben, sich das anzuhören,
Lieutenant ?« fragte Justine in drohendem Ton.
»Ja«,
sagte ich müde. »Allerdings. Wann haben Sie dieses Band besprochen, Martha ?«
Sie
stand auf und ging langsam durchs Zimmer auf das Fenster zu. »Während der
letzten vierzehn Tage«, sagte sie mit dünner Stimme. »In kleinen Abschnitten.
Henry hat den Apparat hier herauf geschmuggelt, und wir haben jeden Abend ein
kleines Stückchen besprochen. Aber es fehlt etwas .«
»Was
zum Beispiel?«
Martha
wandte sich zu mir um, einen verwirrten Ausdruck auf dem tränenüberströmten
Gesicht. »Es fehlt eine ganze Menge«, sagte sie fest. »Bei uns ging die Sache
so aus, daß Delia — das war natürlich ich — sich schließlich erweichen ließ und
Henry versprach, den Fluch zurückzunehmen, daß wir heiraten und in alle
Ewigkeit glücklich werden könnten — . Nun ja, Sie
wissen schon .«
»Und
Henry sollte hocherfreut aus dem verschlossenen Zimmer herausgestürzt kommen
und im richtigen psychologischen Augenblick allen die große Neuigkeit mitteilen ?« sagte ich. »Und dann das Band vor Ihrem Vater abspielen,
und danach sollte alles in bester Butter sein, ja ?«
»So
war es gedacht«, sagte sie traurig.
»Henry
hat sozusagen das Drehbuch geschrieben ?«
»Er
hat schwerer daran gearbeitet als je an etwas anderem zuvor, glaube ich«,
flüsterte sie. »Einiges von dem, was Delia zu sagen hatte, war meiner Ansicht
nach das Poesievollste, was er je geschrieben hat. Merkwürdig, wenn man sich
das so überlegt.«
»Sie
sagten, es fehle ein ganzer Teil? Ist vielleicht etwas hinzugefügt worden ?«
Sie
zögerte einen Augenblick lang, und dann wurde ihr Gesicht starr vor Angst. »Am
Schluß«, flüsterte sie zaghaft, »da wo Delia so gräßlich und heiser flüstert!
Als sie das vor der Grauen Dame sagt, die die Nacht durchwandert. Das
war nicht ich !« Sie schluchzte tief auf und flüchtete sich
durch das Zimmer in die schützenden Arme ihrer älteren Schwester.
»Reg
dich nicht auf, Süße«, sagte Justine in beruhigendem
Ton. »Reg dich nicht auf !«
» Justine — glaubst du, als Henry in dem verschlossenen
Zimmer das Band abspielte — glaubst du, daß da die wirkliche Delia erschienen ist und daß das ihre Stimme auf dem Tonband ist ?« wimmerte Martha krampfhaft und umklammerte ihre Schwester
noch fester.
»Natürlich
nicht«, sagte Justine ohne jede Überzeugung in ihrer
Stimme. »Natürlich nicht.«
Ich
packte das Tonbandgerät zusammen, um es wegzutragen, und blickte dann auf Justine .
»Tragen
Sie es in mein Zimmer hinüber, Lieutenant«, sagte sie leise, »und warten Sie
dort auf mich. Ich komme bald nach .«
Gute
zehn Sekunden lang
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