Al Wheeler und die tote Lady
Bügeln; und
ich wollte eben die Tür schließen, als mein Blick auf ein zusammengeknülltes
Bündel in der einen Ecke fiel. Bei näherer Inspektion erwies sich, daß es sich
dabei um ein blaues Stoffoberteil und dazu passende Hose handelte — genau das,
was Louise Fowler getragen hatte, als ich sie in Reno kennengelernt und was sie
auch während der Fahrt nach Carmel angehabt hatte. Wie war es also wieder
hierher in den Schrank gekommen, wenn Louise, wie Mardi behauptet hatte,
während der letzten paar Monate gar nicht in die Wohnung zurückgekehrt war?
Meine Uhr verriet mir, daß bereits ein neuer Tag angebrochen war, und so fand
ich, meine Probleme könnten warten, bis ich etwas Schlaf hinter mich gebracht
hatte. Ich verließ die Wohnung und ging zu dem am Straßenrand wartenden Healey.
Zwanzig Minuten später hielt
ich vor meiner eigenen Wohnung und tastete nach der in der Halfter steckenden
Pistole, die ich vor der Party am Paradise Beach unter den Sitz geschoben
hatte. Meine Hand fuhr ins Leere und gleichzeitig spürte ich, wie mich ein
nervöser Schmerz durchfuhr. Es war einfach verrückt! Die Pistole mußte da sein! Zwei weitere
Minuten verzweifelten Suchens überzeugten mich schließlich, daß sowohl
Gürtelhalfter als auch Pistole verschwunden waren. Ich zündete sehr sorgfältig
eine Zigarette an, während vor meinem Inneren ein ganz bestimmtes Bild
auftauchte: Hal und Albie , die mit meiner Pistole
geduldig in meiner Wohnung warteten, um diesmal meinen Selbstmord
wirkungsvoller zu arrangieren. Der Ärger bei einem Polypen war, so dachte ich
mürrisch, daß er seinen Stolz hatte. Wenn ich nun das Büro des Sheriffs
angerufen und dafür gesorgt hätte, daß der nächste Streifenwagen herbeigerast
kam, was hätte das dann für einen Eindruck gemacht, wenn sie meine Wohnung leer
vorgefunden hätten? »Der furchtlose Wheeler« — ich konnte bereits ihr
schallendes Gelächter hören. »Der Mann, der Angst hat, in seine eigene Wohnung
zu gehen. Wetten, daß er seine Knallbüchse gar nicht verloren hat, er hat sie
weggeschmissen, weil er Angst hatte, sich selbst zu erschießen, wenn er sie
endlich aus der Halfter gezogen hat!« Natürlich war da immer noch der
Hausmeister. Aber der Gedanke an seine Reaktion, wenn er in den frühen
Morgenstunden geweckt und ich ihm erklären würde, die beiden Burschen, die mich
am Nachmittag hätten umbringen wollen, warteten wahrscheinlich in meiner Wohnung, und wenn ich ihn fragen
würde, ob er was dagegen hätte, zuerst dort hineinzugehen! Was für ein Feigling
bist du eigentlich, Wheeler? fragte ich mich, und es fielen mir ohne großes
Nachdenken zehn verschiedene Variationen ein. Als ich schließlich den letzten
Zug aus der Zigarette getan hatte, war mein Vorrat an Ausreden erschöpft, und
ich konnte nur hoffen, daß mir die Polizeiverwaltung wenigstens vielleicht in
Form von soliden Messinggriffen am Sarg Gerechtigkeit angedeihen lassen würde.
Meine Beine fühlten sich wie
Gummi an, als ich den Bürgersteig überquerte und den Vorraum betrat. Sie
begannen heftig zu zucken, als ich die Treppe emporstieg, und als ich
schließlich die Wohnungstür erreicht hatte, entsprach mein Herzklopfen einem
wildgewordenen Metronom. Ich steckte den Schüssel ins Schlüsselloch, drehte ihn
sachte um, öffnete die Tür einen Spaltbreit und kauerte dann lautlos nieder. Um
mich herum dröhnte die Stille förmlich in meinen Ohren. Ich öffnete die Tür
weiter und warf mich mit einem Hechtsprung in den Flur, der Länge nach den
Parkettboden entlangschlitternd, bis meine rechte Hand gegen etwas Kaltes und
Metallisches stieß. Ein paar Sekunden später vermochten meine tastenden Finger
auszumachen, um was es sich handelte, und ich wimmerte beinahe laut vor
Erleichterung, als ich den Pistolengriff fest mit der Hand umschloß. Ich stand
auf und wich, rückwärtsgehend, zur Wohnungstür zurück, während meine freie Hand
nach dem Schalter tastete.
Der Flur war leer, als das
Licht aufleuchtete. Ich rückte langsam in Richtung des Wohnzimmers vor, machte
einen Sprang über die Schwelle und stellte fest, daß meine Vorahnung zu fünfzig
Prozent richtig gewesen war. Es wartete nur ein Mann im Wohnzimmer auf mich,
und ich wußte nicht recht, ob »warten« dafür der richtige Ausdruck war. Albie
saß zusammengesunken in einem Sessel, und von dem Loch zwischen seinen Augen
lief eine Blutspur über sein Gesicht nach unten.
Ich überzeugte mich schnell,
daß die übrige Wohnung leer war und kehrte dann
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