Al Wheeler und die tote Lady
»Was
willst du denn zum Frühstück?«
»Einen doppelten Martini. Mit
einem Schuß Limone, damit ich kein Skorbut oder sonst was Scheußliches kriege.«
»Ich werde jetzt erst mal
Rührei und Toast bestellen«, erklärte ich ihr. »Wenn du das gegessen hast,
kriegst du deinen doppelten Martini. — Abgemacht?«
»Okay.« Sie nickte. »Ich werde
den Teufel tun, mich mit einem Freßsack wie dir
rumzustreiten. Während du bestellst, dusche ich mich.«
Sie verschwand im Badezimmer,
während ich den Hörer abhob. Als ich das Frühstück bestellt hatte, zündete ich
mir eine Zigarette an und grübelte über Hal nach. In schneller Reihenfolge
grübelte ich ebenso über Louise Fowler, Dane und Tracy Tenison, Chuck Fenwick,
Pat Nelson und ein paar andere auserwählte Leute nach. Ich war wirklich froh,
als ein Klopfen an der Tür all das Gegrübel unterbrach. Der kleine dicke Kerl
kam herein, als ich öffnete, und stellte ein Tablett auf die Kommode. Seine
dunkle Brille hatte irgendwie einen mißtrauischen Blick, fand ich.
»Wir fahren in ungefähr zwanzig
Minuten ab«, sagte ich. »Wir?« Darüber dachte er ein paar Sekunden lang nach.
»Haben Sie Ihre Frau zurückbekommen?«
»Sie ließe sich nicht ganz so
gut rollen wie ein Würfel, hat der Mann gesagt, deshalb hat er sie mir ins
Gesicht geschmissen wie einen ungedeckten Scheck«, erklärte ich.
Die Badezimmertür öffnete sich
einen Spaltbreit, und Sams Kopf, Hals und nackte Schultern erschienen
plötzlich. »Sei ein Schatz, Al, und sieh zu, ob du mir ein Höschen oder so was
finden kannst?« Sie lächelte strahlend. »Du wirst doch nicht wollen, daß ich mich
so — du-weißt-schon-wie — erkälte?« Dann sah sie den kleinen Dicken, der wie
angewurzelt dastand. »Hallo!« sagte sie mit kehliger Stimme. »Und was macht Ihr Sexualleben neuerdings?«
» Dah —
da«, sagte er und versank offensichtlich für eine Weile in Nachdenken. Dann
versuchte er es erneut. » Dah — äh — dah !«
»Suaheli«, sagte Sam mit
erregter Stimme. »Ich liebe einfach
Männer, die fremde Sprachen sprechen können.«
Ich beugte mich in ihren
offenen Koffer und tauchte mit einem Stretch-Spitzenhöschen auf, das wie eine
Grundlage zur Ursünde schlechthin aussah. »Wie ist’s damit?« Ich hielt es ihr
ungeschickt hin.
»Das tut’s völlig.« Sie griff
danach und lächelte dem kleinen Dicken erneut strahlend zu. »Die Wirkung ist
mehr psychologischer Art«, vertraute sie ihm an. »Es hält keine Kälte fern,
aber man fühlt sich irgendwie beschützt. Und ich sage Ihnen ein, Sie können jederzeit eine Dusche
mit mir nehmen.«
Die Badezimmertür schloß sich
abrupt. Die schwere Stille lastete mehrere Sekunden lang, dann wimmerte der
kleine Dicke mitleiderregend und spazierte geradewegs gegen die Wand. Ich
packte ihn an den Schultern, lenkte ihn durch die Tür und ließ ihn erst wieder
los, nachdem er sicher draußen angelangt war. Nach drei langsamen Schritten
drehte er sich zu mir um.
»Sie schulden mir keine zehn
Cent«, sagte er mit schwerer Zunge. »Sie brauchen sich auch nicht abzumelden.
Wenn ich wieder im Büro bin, reiße ich einfach die Seite aus dem Register. Sie
waren nie hier. In Ordnung? Ich weigere mich einfach, zu glauben, daß zwei Leute
wie Sie und Ihre Frau überhaupt existieren.«
»Na, dann vielen Dank«, sagte
ich. »Und wenn Sie sich irgendwann mal mit einem von uns beiden duschen wollen,
dann rufen Sie bloß laut. Ja?«
Er gab erneut diesen Wimmerlaut
von sich, riß sich die dunkle Brille ab, warf sie auf den Boden und begann,
darauf herumzustampfen. Ich schloß sachte die Tür und ging auf das Tablett zu.
Als die völlig angezogene Sam aus dem Badezimmer auftauchte, war ich mit Essen
fertig und konnte mich darauf konzentrieren, dafür zu sorgen, daß sie ihr
Rührei aß, bevor ich ihr einen Schluck Martini erlaubte. Gegen halb ein Uhr
verließen wir das Motel, und sobald wir die Stadtgrenze hinter uns hatten, trat
ich das Gaspedal durch.
»Al«, sagte Sam nachdenklich,
nachdem wir uns ungefähr achtzig Kilometer weit draußen in der Wüste befanden,
»warum, zum Teufel, hast du denn eine solch panische Eile, nach Pine City
zurückzukommen?«
»Ich glaube, der Zeitpunkt ist
gekommen, an dem ich dir von meinem Doppelleben erzählen muß«, sagte ich
nüchtern. »In der Nacht bin ich der Vertrottelte Spieler Al Fortuna — aber
tagsüber gelegentlich der pflichteifrige Polyp Al Wheeler. Im Vertrauen gesagt,
Al Fortuna ist irgendwann gestern nacht mit
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