Alarm in Sköldgatan
fünfunddreißig Minuten. Schön war die Fahrt nicht. Man saß in Flugzeugsesseln und wurde durchgeschüttelt, und wer keinen Fensterplatz hatte, konnte kaum darauf hoffen, das Wasser, auf dem man fuhr, auch nur zu sehen.
Mänssons internationale Verbindungen waren, was Dänemark betraf, außerordentlich gut. Er wich allen hindernden Instanzen und zwischenstaatlichen Komplikationen aus und ging geradewegs zu einem Polizeiinspektor, der Mogensen hieß.
»Morgen. Ich suche nach einer Frau. Wie sie heißt, weiß ich nicht.«
»Morgen«, begrüßte ihn Mogensen. »Wie sieht sie denn aus?«
»Hat kurzgeschnittenes, lockiges blondes Haar und blaue Augen. Ausgeprägte Gesichtszüge, breiter Mund, gesunde Zähne und ein Grübchen am Kinn. Ungefähr einssechzig groß, breite Schultern und Hüften und eine schmale Taille. Kurze kräftige Beine und hübsche Waden. Sie ist ungefähr fünfunddreißig Jahre alt. Schwedin. Sicher aus Skäne, wahrscheinlich aus Malmö.«
»Hört sich an, als ob sie hübsch ist.«
»Da bin ich nicht so sicher. Sie bevorzugt lange gestrickte Pullover, dazu lange Hosen oder kurze karierte Röcke. Um diese Jahreszeit wohl eher Röcke. An den Füßen Sandalen oder Holzschuhe. Keine Strümpfe. Sie liebt sehr breite Gürtel, die sie fest um die Taille schnallt. Ist nicht ausgeschlossen, daß sie rauschgiftsüchtig ist. Sie hat irgendwas mit Kunst zu tun. Die, die sie gesehen haben, sagen, daß sie immer Farbflecke oder was Ähnliches an den Fingern hat.«
»Gut«, sagte Mogensen. Und damit war die Sache klar.
Mänssons Beziehungen zu diesem Mann bestanden seit dem Ende des Krieges, als Mogensen aus Deutschland nach Trelleborg kam. Er war einer der etwa zweitausend Polizisten, die die Gestapo bei einer Razzia am 9. September 1944 festgenommen und nach Deutschland in ein Konzentrationslager verschleppt hatte.
Seit damals waren sie immer in gutem Kontakt geblieben. Diese Verbindung war praktisch, bewirkte einen schnellen Austausch von Informationen, und beide zogen ihren Nutzen daraus. Was Mänsson nach einem halben Jahr erfahren hätte, wenn er den normalen Dienstweg benutzt hätte, erledigte Mogensen normalerweise an einem Tag. Und wenn Mogensen etwas Bestimmtes aus Malmö wissen wollte, schaffte Mänsson das in der Regel in wenigen Stunden. Der Zeitunterschied erklärt sich aus der Tatsache, daß Kopenhagen viermal so groß ist wie Malmö.
Es gehört zum guten skandinavischen Umgangston, zu behaupten, daß die Zusammenarbeit zwischen der Polizei beider Länder ausgesprochen gut ist In der Praxis ist das allerdings anders, und zwar zu einem nicht geringen Teil wegen der Sprachschwierigkeiten.
Daß Schweden und Dänen die Sprache des anderen mit etwas gutem Willen ohne Schwierigkeiten verstehen, ist eine Behauptung, die im Laufe der Jahre in beiden Ländern von hoher Stelle dauernd wiederholt worden ist. Aber häufig ist so etwas eine Wahrheit mit Einschränkungen und noch öfter etwas viel Ernsteres, zum Beispiel das Ergebnis intensiven Wunschdenkens, also eine Illusion. Oder, um es einfacher zu sagen: eine Lüge.
Zwei der vielen Opfer dieses Wunschdenkens waren Hammar und ein bekannter dänischer Kriminalist, die sich seit Jahren kannten und bei vielen internationalen Polizeikongressen nebeneinandergesessen hatten. Sie waren gute Freunde, und jeder für sich brüstete sich damit, daß er die Muttersprache des anderen vollständig und ohne Schwierigkeiten beherrsche. Was übrigens jeder normalbegabte Skandinavier eigentlich auch können sollte, eine spöttische Bemerkung, die hinzuzufügen sie selten versäumten.
Bis sie sich, nachdem sie jahrelang nur in Konferenzräumen bei großen gesellschaftlichen Anlässen zusammengekommen waren, einmal privat in Hammars Sommerhäuschen zu einem gemeinsamen Wochenende verabredet hatten. Da zeigte es sich nämlich, daß sie sich nicht mal bei den einfachsten alltäglichen Redewendungen verstanden. Als der Däne um eine Karte bat, ging Hammar hinein und holte ein Foto von sich, und danach war alles vorbei. Ein Teil ihres Weltbildes war eingestürzt, und als sie einige Stunden förmlich in gegenseitigem Nichtverstehen geschwelgt hatten, einigten sie sich darauf, Englisch zu sprechen, und entdeckten, daß sie eigentlich überhaupt nicht zueinander paßten.
Ein Teil des Geheimnisses der guten Zusammenarbeit zwischen Mogensen und Mänsson war, daß sie sich tatsächlich verstanden. Keiner der beiden bildete sich ein, die Sprache des anderen zu beherrschen, und
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