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Alarmstufe Blond

Alarmstufe Blond

Titel: Alarmstufe Blond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna Marthens
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ich hoffte, dass diese die Rechtsabteilung der Firma damit beauftragen würde, mich aus dieser misslichen Lage zu befreien. Aber wahrscheinlich halluzinierte ich. Das würde meine Chefin niemals tun, sie gab mir ja nicht einmal einen richtigen Auftrag als Redakteurin, auch nicht nach zwei Jahren in ihrer Abteilung. Vermutlich war mein Hirnschaden doch ernster als vermutet.
    »Bin ich denn angeklagt?«, fragte ich schüchtern. Es war an der Zeit, das naive scheue Reh zu spielen.
    »Noch nicht.« Seine Stimme klang schon nicht ganz mehr so garstig. »Dafür müsste Doktor Diercksen Anzeige gegen Sie erstatten.«
    Wenn ich jetzt noch eine Träne kullern ließ, würde das meine Lage entscheidend verbessern.
    Sie kam tatsächlich. Ich dachte daran, wie ich im Frühling vergangenen Jahres mit meinen neu erworbenen Pumps von Manolo Blahnik im Straßenpflaster steckengeblieben war und mir die Absätze völlig zerkratzt hatte. Ich hatte ein halbes Jahr für diese Schuhe gespart und sogar auf mehrere Friseurbesuche verzichtet, so dass ich aussah, als würden Störche auf meinem Kopf nisten wollen, und dann das. Die Schuhe waren für immer ruiniert. Wann immer ich an diese Situation dachte, traten Tränen in meine Augen. Was in diesem Moment in dieser Polizeistation sehr hilfreich war.
    Doch mein Triumph währte nicht lange, denn nur zwei Tränen später erschien der jüngere Polizist wieder im Raum, und hinter ihm – mir verschlug es fast die Sprache – Doktor Diercksen. Wollte er etwa doch Anzeige gegen mich erstatten? Dann sah es schlecht für mich aus. Tränen hin oder her.
    Ich starrte ihn entsetzt und mit offenem Mund an, die Tränen hatten vermutlich meinen Mascara verschmiert, der Kaffeesatz klebte noch überall, ich war ein Bild des Jammers. Warum erwischte er mich schon wieder in einer Situation, in der ich nicht gerade in Höchstform glänzen konnte?
    Er nickte mir zur Begrüßung kurz zu.
    »Sie können gehen«, sagte Wachtmeister Carl Berger auf einmal zu mir.
    Verwirrt sah ich von einem Polizist zum anderen, dann zum Doktor.
    »Wirklich?«, fragte ich zaghaft, aus Angst, die Männer erlaubten sich nur einen Scherz mit mir.
    »Wirklich. Doktor Diercksen hat Ihre Geschichte bestätigt. Er sagt, Sie hätten gestern eine schwere Kopfverletzung erlitten, die er behandelt hat. Er wird Sie jetzt nach Hause bringen.«
    »Das ist nett…«  Ich versuchte ein dankbares Lächeln, bevor ich mich erhob. Eine verschrumpelte Kartoffelschale fiel dabei aus meinem Hosenbein. Dann stiefelte ich neben meinem Traummann hinaus in die Freiheit.
    »Warum haben Sie das getan?«, fragte ich, als ich schließlich neben ihm im Auto saß.
    »Sie riechen nicht gut«, antwortete er unverblümt, ohne auf meine Frage einzugehen.
    »Tut mir leid. Ich bin … gestürzt. Irgendwie scheint das Dorf etwas gegen mich zu haben, ich komme mir fast vor wie in einem Horrorfilm.«
    »Sie wohnen in der Achtzehn?«
    Ich nahm an, er meinte die Hausnummer. Ich wollte etwas Witziges erwidern, was sich auf Kleidergrößen bezog, doch etwas in meinem Inneren hielt mich davon ab. Ich wollte nicht, dass er mich für eine völlige Irre hielt. Jedenfalls nicht noch mehr, als er vermutlich ohnehin schon dachte.
    Ich hatte das Gefühl, ihm eine Erklärung zu schulden. Auch wenn es nicht besonders überzeugend klang, was ich zu sagen hatte. »Es tut mir leid, dass ich in Ihrem Garten war. Aber ich hatte gestern ein Foto von Ihnen auf dem Dachboden gefunden und irgendwie ging es mir nicht aus dem Kopf, daher bin ich Ihnen gefolgt. Ich bin eigentlich ganz harmlos.«
    Ich konnte sehen, wie sich sein Mund zu einem halben Lächeln verzog, dann sah er mich von der Seite an. »Ich habe mal in dem Haus gewohnt, offenbar haben wir beim Auszug nicht alles gefunden und ausgeräumt.«
    Wir. Das Lieblingswort aller verheirateten Männer.
    »Wollen Sie die Dinge haben?«
    »Was ist denn noch dabei?«
    »Ach, ein Pokal, ein paar alte Sachen, eine Weste, ein paar leere Schulhefte. Mehr nicht.«
    Wieder lächelte er das halbe Lächeln. Dabei kräuselten sich ein paar zarte Fältchen an seinem Auge. Er sah hinreißend aus.
    »Ich denke, wir brauchen den Krempel nicht mehr«, riss er mich aus meinen schwärmerischen Betrachtungen. »Machen Sie damit, was Sie wollen.«
    »Mal sehen, was mir so einfällt«, erwiderte ich. Und das war auch schon fast das Letzte, was ich an diesem Tag ihm gegenüber von mir geben konnte, denn wir waren an meinem, beziehungsweise ehemals seinem Haus

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