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Alarmstufe Blond

Alarmstufe Blond

Titel: Alarmstufe Blond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna Marthens
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geschnitten. Familienidylle pur.
    In meinem Bauch machte sich ein unangenehmer Klumpen breit bei diesem Anblick.
    Er strahlte seine Frau an, die ihm das Gemüse reichte, während die Kinder irgendetwas durcheinander plauderten. Ich konnte nur ihre Münder sehen, wie sie sich öffneten und schlossen. Aber vielleicht kauten sie auch nur. Bevor er sich dem Essen widmete, griff er in seine Jackentasche und holte ein Stethoskop heraus, das er dem Jungen reichte, das Mädchen erhielt eine Skeletthand. Sie quietschte kurz auf, doch dann riss sie die Hand an sich und sprang auf. Offenbar hatte das Geschenk einen Nerv getroffen.
    Ich war auf perverse, selbstzerstörerische Weise so hingerissen von dem Anblick, dass ich gar nicht bemerkte, wie sich die Mülltonne, auf der ich stand, gefährlich zur Seite neigte. Doch als ich es spürte, war es bereits zu spät. Ich rutschte von der Tonne, landete jedoch glücklicherweise nicht unsanft auf dem Boden, sondern auf der Nachbartonne. Doch damit endete mein Glück. Der Deckel der Tonne gab nach, und ich rutschte mitten in Essensreste, Gurkenschalen, halbleere Yoghurtbecher und Kaffeesatz.
    »Oh mein Gott«, murmelte ich entsetzt, während ich versuchte, mich aus dem ganzen Müll herauszuschälen.
    Für einen kurzen Moment hoffte ich, noch im Bett zu liegen und einem Albtraum zum Opfer gefallen zu sein, aber es war keiner. Dafür stank es in der Tonne viel zu realistisch. Und es war noch nicht einmal das Schlimmste, was mir an diesem Tag passierte. Denn zunächst konnte ich mich einigermaßen heil aus meinem Gefängnis retten. Glücklicherweise hatte mein Sturz keinen größeren Lärm verursacht, weil die schwankende Tonne, von der ich gerutscht war, sich wie ein Stehaufmännchen wieder aufgerichtet hatte, nachdem ich als unnützer Ballast von ihr gerutscht war. Und wer schon einmal in eine halbvolle Mülltonne gefallen ist, weiß, dass der Abfall wenig Lärm verursacht, wenn man solche Dinge wie krachende Plastikbecher und spröde Einwegverpackungen mied. Ich weiß, wovon ich rede.
    Deshalb stand ich ein paar Minuten später wieder auf dem Rasen von Familie Traummann, klopfte mir den Kaffeesatz aus der Hosentasche und ein paar Gurkenschalen vom Ärmel, und schlich mich unauffällig zurück zum Weg und dann zurück zur Straße. Doch ich kam nicht weit. Denn just als ich mir noch einen leeren Yoghurtbecher von der Schulter nehmen wollte, jaulte eine Sirene kurz auf und es versperrte mir ein Polizeiwagen den Weg zur Straße. Zuerst wollte ich so tun, als hätte ich den Wagen nicht bemerkt, und ging hoch erhobenen Hauptes daran vorbei, wobei eine alte Plastiktüte an meinen Schuhen klebte, die ein nervenaufreibendes Rascheln verursachte. Doch dann stieg der Polizist aus.
    »He, junge Frau, bleiben Sie stehen!«
    Ich drehte mich um, als würde ich nach der suchen, die er angesprochen haben könnte, dann sah ich ihn erstaunt an und deutete auf mich. »Haben Sie mich gemeint?«
    »Ja, Sie habe ich gemeint. Woher kommen Sie?«
    Ich machte eine allgemeine Handbewegung. »Ach, ich bin neu hier und nur ein bisschen spazieren gegangen. Ist das verboten hier? Das wusste ich nicht.«
    »Nein. Es ist nur verboten, in fremde Gärten einzudringen. Jemand hat gemeldet, eine verdächtige Person sei in den Garten des Arztes eingedrungen. Waren Sie das?«
    »Ich? Niemals? Ich weiß nicht einmal, wo der Arzt wohnt. Wie gesagt, ich bin neu hier.« Ich war gut, wenn es darum ging, die Unschuldige zu spielen. Es war zwar ein billiges Klischee, aber wenn man blond ist, nehmen einem die Leute diese Tour meistens ab. Meistens. Dieses Mal jedoch leider nicht. Aber es lag nicht an mir und meinen blonden Haaren, sondern an der vermaledeiten alten Wurstpelle, die unter meiner Jacke hervorlugte.
    »Und was ist das?«, fragte der Polizist und deutete auf genau diese Pelle.
    »Oh, die ist bestimmt noch von meinem Frühstück.« Ich versuchte ein keckes Lächeln. »Ich wollte sie wegwerfen, da hat sie sich unter meiner Jacke versteckt. Sie hasst es, einfach so entsorgt zu werden.«
    Das war anscheinend zu dick aufgetragen.
    »Sie kommen mit«, befahl der Polizist, der, falls ich es noch nicht erwähnt habe, um die fünfzig war und aussah wie E.T. mit einem viel zu großen kahlen Kopf mit ledriger, brauner Haut.
    »Wohin?«
    »Aufs Revier?«
    »Aber ich habe nichts gemacht!«, wehrte ich mich, doch meine Proteste verhallten ungehört.
    Ich musste mich fügen und einsteigen, und das auch noch hinten, hinter dem Gitter.

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