Alarmstufe Blond
ich, solange ich nicht wusste, wann du mit der Aufräumerei fertig bist.«
»Ich bin jetzt fertig.« Ich hatte tatsächlich den gestrigen Nachmittag genutzt, um die letzten verbliebenen Tapeten von den Wänden zu reißen. Danach hatte ich sie in den Müll geworfen und das Haus erneut gefegt. Dieses Mal jedoch verursachte der Staub Hustenanfälle bei mir. Es war erstaunlich, wie schnell sich eine Lunge umstellen konnte.
»Wieso hast du dich nicht früher gemeldet? Dann hätte ich das mit den Handwerkern längst geregelt.«
»Weil mein Handy hier keinen Empfang hat. Das solltest du übrigens in Erwägung ziehen, bevor du gänzlich hierher ziehst.«
»Das ist nicht schlimm!«, zwitscherte sie. »Und von wo telefonierst du jetzt?«
»Vom Ortseingangsschild.«
»Na, das reicht doch. Kannst du dann die Handwerker besorgen? Es gibt doch bestimmt genügend im Ort.«
»Hm«, knurrte ich, wenig begeistert von der neuen Aufgabe. Doch dann stimmte ich zu. Wer weiß, wann jemand aus der Stadt hier sein konnte, und je schneller das Haus bewohnbar war, desto besser auch für mich.
»Gut, viel Erfolg weiterhin. Und wenn du mal wieder den Ort verlässt, ruf mich an.« Sie kicherte.
»Wieso sollte ich ihn denn verlassen? Kein Mensch braucht mehr als einen Arzt und einen Bäcker. Der Rest wird völlig überbewertet.« Das sollte eigentlich ein Witz sein, denn bisher hatte ich außer den beiden wirklich noch nichts weiter entdecken können, was zu einem normalen Leben dazugehörte.
»Na, dann freue ich mich umso mehr, bald einzuziehen«, sagte sie fröhlich. »Es ist mit Sicherheit alles da.«
Für einen Moment war ich mir nicht sicher, ob ich mich auch wirklich im richtigen Ort befand und das richtige Haus hütete.
»Nur nochmal zur Bestätigung: Du willst wirklich nach Frankenstein ziehen? Dem Dorf FRANKENSTEIN ( ich buchstabierte den Dorfnamen vorsichtshalber ). Du hast mich ins richtige Dorf geschickt? Und du hast es wirklich schon gesehen?«
»Ja, natürlich. Wieso fragst du?«
»Nur so. Dann bis bald!«
»Bis bald!«
Wir legten auf.
Danach rief ich meine Mutter an.
»Hi Mama, die Sonne scheint, es ist genauso warm wie in der Stadt und ich bin noch gar nicht dazu gekommen, abends draußen zu sitzen.«
»Wenn du es tust, zieh dir was Warmes über. Wie gefällt dir das Landleben? Hast du schon Sehnsucht nach der Stadt, nach Einkaufscentern und Supermärkten?«
»Es geht so. Ich habe mich bisher vom Bäcker verpflegen lassen, aber ich denke, demnächst werde ich mich mal auf die Suche nach einem Supermarkt begeben. Mein erster Versuch ist… äh … ich hatte es mir anders überlegt.« Ich erzählte ihr lieber nichts von meiner Schwäche für den Dorfarzt und meiner Landung in seiner Mülltonne.
»Denk dran, dass es in den Kühlabteilungen der Supermärkte immer recht kalt ist, du weißt, du erkältest dich schnell.«
»Ja, Mama, ich weiß. Was machst du heute?«
»Ich bin mit einem Freund im Theater, danach wollen wir noch etwas trinken gehen. Und morgen besuche ich eine neue Ausstellung.«
Sie nannte den Namen des Meisters, der mir jedoch nicht viel sagte. »Und du?«, fragte sie.
Gute Frage. »Ich werde noch ein bisschen schreiben und dann früh ins Bett gehen. Morgen wird es ähnlich aussehen, übermorgen vermutlich auch. Ach ja und zwischendurch werde ich das Haus aufräumen und streichen lassen. Und spazieren gehen.« Mehr fiel mir nicht ein.
Die Gespräche mit meiner Mutter waren meistens recht kurz. Sie ließ ihre Ermahnungen vom Stapel, zwischendurch erzählte ich, was es Neues gab und sie berichtete von ihren Aktivitäten, dann legten wir auf. Sie war Politikerin, besaß einen riesigen Freundeskreis und war ständig unterwegs. Meistens hatte sie nicht einmal genügend Zeit, mir von all ihren Tätigkeiten und Unternehmungen ausführlich zu erzählen, sondern befand sich schon auf dem Weg zu einer weiteren Veranstaltung oder Tagung. Da musste ich sehen, dass ich mich mit meinen Ausführungen beeilte. Doch dieses Mal, aus Mangel an Freizeitmöglichkeiten meinerseits, war unser Gespräch noch kürzer als sonst. Von meinen Unfällen und unangenehmen Vorkommnissen zu erzählen, vermied ich, weil die nur wieder sinnlose Ermahnungen auslösen würden.
»Pass auf dich auf, Pippa«, sagte sie, dann war das Gespräch auch schon beendet.
Als letztes rief ich meine Chefin an. Ich konnte spüren, wie es in meinem Bauch unangenehm grummelte. Wieso schaffte sie es sogar in meinem Urlaub, dass ich mich schlecht
Weitere Kostenlose Bücher