Alasea 02 - Das Buch des Sturms
Magik.«
»Einige Probleme lassen sich leichter mit einer scharfer Klinge lösen als mit einem Zauberbann. Du solltest in allen Arten der Kriegführung ausgebildet werden. Diese Dinge könnten wir dich lehren. Aber das …« Mikela hob Elenas Hand und streifte den Handschuh aus Rehleder ab, der den roten Fleck verbarg. »Aber über das wissen wir zu wenig. Im Laufe der Jahrhunderte wurde so viel durch Gerüchte und Sagen verfälscht. Leider haben wir durch den Tod deines Onkels sehr viel verloren. Er war beauftragt worden, die zerstörte Schule gründlich nach alten Texten zu durchsuchen, aus denen die Feinheiten der Magik hervorgingen. Er sollte dir helfen. Aber mit seinem Tod war das Wenige, das er erfahren hatte, verloren, und die Skal’ten setzten sein Haus in Brand und vernichteten den Rest.«
Elena spreizte die Finger ihrer roten Hand, ihr Herz verzagte vor Hoffnungslosigkeit. »Dann bin ich also ganz auf mich allein gestellt, was meine Magik betrifft?«
»Ja, aber einige in der Schwesternschaft sind der Ansicht, dass es so am besten ist«, entgegnete Mikela. Sie ergriff Elenas rote Hand. »Und ich teile diese Ansicht.«
Elan sah Mikela mit gerunzelter Stirn an. »Aber warum denn?«
»Die Prophezeiungen besagten stets, dass es eine Hexe sein würde - eine weibliche Person -, die die Kriegstrommeln gegen Gul’gotha rühren und die Fackel der Freiheit tragen wird.« Sie beugte sich näher zu dem Mädchen, um ihren Worten Nachdruck zu verleihen. »Nicht etwa ein Mann. Der Orden der männlichen Magiker konnte sich schon einmal den Gul’gotha-Horden nicht widersetzen. Warum sollte man also ihrem Wissen vertrauen oder nach ihren Vorgaben handeln? Es muss einen Grund geben, warum eine Frau auserwählt wurde, warum du auserwählt wurdest! Ein neuer Pfad muss beschritten werden: der Pfad einer Frau!«
Elena schrumpfte unter dem eindringlichen Blick ihrer Tante in sich zusammen.
Mikela erkannte Elenas Angst. Ihre Stimme wurde sanfter, und sie legte ihr wieder eine Hand an die Wange. »Es tut mir Leid«, sagte sie. »Ich wollte dir keine Angst einjagen.«
»Ich fühle mich dieser Bürde nicht gewachsen«, antwortete Elena leise. Jetzt konnte sie die Tränen nicht mehr zurückhalten. Heiße Rinnsale flössen ihr über die Wangen.
Mikela nahm Elena in die Arme und wiegte sie zärtlich. »Etwas sagt mir«, flüsterte Mikela und drückte sie noch fester an sich, »dass du auf deiner Reise hierher zu wenig Trost bekommen hast.«
Sie hielten einander für einige Augenblicke schweigend umfangen. Elena spürte die Wärme und Liebe in diesen Armen. Es war nicht die Liebe für die in der Prophezeiung angekündigte Heldin, sondern einfach die Liebe der Familie.
Allzu bald hob Mikela schließlich Elenas Gesicht von ihrem Busen und wischte ihr die Tränen ab. »Du hast die schönen Augen deiner Mutter«, flüsterte sie.
Elena schluckte schwer und hielt die Tränen zurück.
»Und daran wollte ich dich eigentlich gemahnen. Ich hatte nicht die Absicht, dich zu ängstigen oder noch mehr zu belasten. Ich wollte dich daran erinnern, dass du nicht nur ein Schwert … oder eine rote Hand bist, sondern du bist auch die Tochter deiner Mutter. Eine Frau. Und vielleicht erweist sich das als deine wichtigste Stärke im Kampf gegen die Dunkelheit, die vor dir liegt.«
Mit einem leichten Stirnrunzeln berührte Mikela noch einmal Elenas kurz geschorenes Haar. »Unter all diesen Männern«, sagte sie, und ihr Stirnrunzeln wurde von einem sanften Lächeln abgelöst, »darfst du nicht vergessen, dass du eine Frau bist.«
Sie umarmten sich noch einmal flüchtig. »Ich werde es nicht vergessen«, versprach Elena; dabei fiel ihr jener Morgen in den Bergen ein, vor langer Zeit, als sie beide Hände ins Licht des Sonnenaufgangs gehalten hatte, die eine rot, die andere weiß. Sie hatte die Hände zusammengeschlagen und sich sowohl zur Hexe als auch zur Frau erklärt. Hatte sie damals schon die Wahrheit, die ihr Mikelas Worte enthüllt hatten, gekannt? »Frau und Hexe«, murmelte Elena.
»Was hast du gesagt, Liebes?«
Bevor Elena antworten konnte, erschütterte ein heftiges Pochen die Tür. Er’rils Stimme schallte aufgeregt durch die Kiefernbretter. »Der Wolf bringt eine Nachricht. Der Lagerschuppen wird angegriffen!«
Ohne ein Wort stand Mikela eilends vom Bett auf und legte ihre Schwerter an. »Beeil dich, Elena!« drängte sie. Dann murmelte sie, mehr zu sich selbst, während sie zur Tür rannte: »Verdammt sollen meine Ohren sein!
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