Alasea 02 - Das Buch des Sturms
Ich hätte schwören können, dass ich vorhin schon so etwas gespürt habe!« Sie schob schwungvoll den Riegel hoch und stieß die Tür auf.
Elena sprang ebenfalls vom Bett, um ihr zu folgen; das Herz schlug ihr bis zum Hals.
Er’ril stand mit hochrotem Gesicht und erhobener Faust da. Er trat einen Schritt zurück, um den beiden den Weg freizugeben. »Wir müssen uns beeilen.«
»Was ist los?« fragte Mikela, während sie sich an Er’ril vorbei in den Flur schob. Elena folgte ihr.
»Ich weiß nicht genau«, erwiderte er. Er’ril drehte sich um und wollte vorausgehen, doch die Stimme der Frau ließ ihn innehalten.
»Wir gehen nicht hin«, sagte sie, schlicht, ruhig und bestimmt.
Er’ril wandte sich ihr wieder zu. »Wir haben keine Zeit für eine Auseinandersetzung. Tol’chuk ist in Schwierigkeiten.«
»Und du willst die Hexe in eine Falle führen?« entgegnete sie. »In Gefahr bringen?«
Ihre Worte veranlassten Er’ril nun doch nachzudenken. »Ich … ich … wir können Tol’chuk nicht im Stich lassen. Kral und die anderen sind bereits auf dem Weg hinüber.«
»Kral ist ein tapferer Kämpfer. Ich habe gesehen, wie er die Axt handhabt. Sollten der Og’er und er nicht mit dem Angreifer, wer immer es sein mag, fertig werden, wäre es äußerst töricht, Elena dorthin zu bringen.«
Elena ergriff jetzt das Wort, und sie selbst fand, dass ihre Stimme kleinlaut klang. »Aber ich kann helfen.«
Mikela legte ihr eine Hand auf die Schulter. »Sicher könntest du das, Liebes. Aber würdest du hier deine Magik einsetzen, wäre das genauso, als ob wir mit einem hellen Leuchtfeuer den Schergen des Herrn der Dunklen Mächte den Weg weisen würden. Du bist die Zukunft, und wir dürfen keinerlei Risiko eingehen.«
»Wir müssen es zumindest versuchen …« Elena warf Er’ril einen um Beistand heischenden Blick zu.
Vergebens. Seine Augen glitzerten vor Wut und Enttäuschung. »So sehr es mir auch widerstrebt, die anderen im Stich zu lassen«, sagte er, »muss ich doch zugeben, dass Mikela Recht hat. Du kennst den Plan für solche Fälle. Wenn eine Gefahr uns trennt, treffen wir uns in einem Monat in Landende an der Küste.«
»Aber …«
»Dann ist das also geklärt«, unterbrach Mikela sie. »Ich nehme an, die Bösewächter in der Stadt sind bereits in Bewegung. Wir müssen das Gleiche tun, wenn wir überleben wollen.«
Elena sah Mikela kummervoll an. »Aber was ist mit Tol’chuk? Er ist dein Sohn! Willst du ihn ein zweites Mal verstoßen?«
Ihre gefühlvollen Worte brachten Mikelas Entschlossenheit ins Wanken. Die Frau wandte den Blick von ihr ab, doch Elena sah, dass sie die rechte Hand zur Faust ballte und ihre Schultern zitterten, da sie versuchte, ihre inneren Regungen im Zaum zu halten. Mikelas Worte klangen schmerzerfüllt. »Ich habe es einmal getan. Ich kann es ein zweites Mal tun.«
Elena beobachtete, wie Mikelas Gesichtsausdruck allmählich wieder eisenhart wurde. Die an ihren Wimpern hängenden Tränen trockneten, und sie straffte die Lippen zu schmalen Linien. Elena war ob dieser Verwandlung bekümmert. Würde sie selbst im Laufe der Reise, die vor ihnen lag, genauso werden? Würde sie das überhaupt wollen? Sie trat zwischen Er’ril und Mikela. »Nein«, sagte sie ruhig, »ich werde Tol’chuk und die anderen nicht im Stich lassen.«
Er’ril fuhr sich mit der Hand an die Stirn und seufzte. »Es ist ein kluger Plan, Elena. Wenn wir uns damit abfinden, dass die anderen zunächst hier in der Stadt bleiben und damit die Feinde anziehen, können wir unterdessen unbemerkt entkommen. Wir treffen uns in Landende wieder.«
»Nein.«
Mikela streckte die Hand nach Elena aus, aber diese wich zurück. »Liebes«, sagte Mikela, »wir müssen jetzt gehen, sonst …«
»Nein. Du hast mir erklärt, dass es einen Grund dafür geben muss, warum das Schicksal es einer Frau bestimmt hat, die Bürde dieser Magik zu tragen. Dass es das Herz einer Frau ist, worauf es ankommt. Und jetzt, in diesem Augenblick, sagt mein Herz mir, dass wir zueinander stehen müssen.«
»Du darfst dich nicht in Gefahr bringen«, widersprach Mikela. »Du bist die zukünftige Morgenröte.«
»Verdammt sollen diese Vorhersagen sein!« brauste Elena auf. »Wenn ich gegen den Herrn der Dunklen Mächte kämpfen soll, dann werde ich ihm als ich selbst gegenübertreten, nicht als irgendein Geschöpf der Prophezeiung.« Elena wandte sich Mikela zu und sah ihr in die Augen. »Tut mir Leid, Tante Mi, aber ich werde niemals so sein wie du.
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