Alasea 02 - Das Buch des Sturms
können wir später schmieden.«
Er’ril erhob natürlich Einwände. »Wenn Gefahr besteht, dann müssen wir sofort aufbrechen.«
»Durch überstürztes Handeln ziehen wir nur Aufmerksamkeit auf uns und setzen alles aufs Spiel. Gegenwärtig scheinen die Bösewächter noch nichts von Elena zu wissen, sonst würden wir jetzt nicht so sprechen.« Mikela sah Er’ril so eindringlich an, dass er den Blick senkte. »Heute Nacht treffen wir die nötigen Entscheidungen, beim ersten Tageslicht brechen wir auf.«
Er’ril wollte sich anscheinend nicht so ohne weiteres fügen.
Mikelas rasiermesserscharfer Ton wurde etwas versöhnlicher. »Bis jetzt hast du Elena gut beschützt. Ich kann keinem von euch in dieser Hinsicht etwas vorwerfen. Aber nicht alle Kriege werden mit Schwert und Magik gewonnen. Manche Schlachten entscheiden sich durch die Kraft eines Herzens. Und ich habe das Gefühl, dass Elena gern bestimmte Worte hören möchte, von Frau zu Frau, damit sie neue Kraft schöpft. Lasst mich für einen Augenblick mit ihr allein.«
Schließlich sagte auch Elena etwas. »Bitte, Er’ril, tut, um was sie euch bittet.«
Er’ril stand mit zusammengekniffenen Lippen da. Das Ganze gefiel ihm nicht. Kral erhob sich und legte Er’ril die Hand auf den Arm. »Wir könnten zumindest schon mal im Nebenraum zusammenpacken.«
Merik und Mogwied waren ebenfalls bereits aufgestanden. »Und wir besorgen etwas zu essen«, sagte Merik mit einem Kopfnicken, das auch Mogwied einschloss. »Am besten lässt es sich mit vollem Bauch planen.«
Schließlich entspannten sich Er’rils Schultern, und er nickte. »Also gut. Ihr sollt euren Augenblick haben.« Die vier Männer verließen hintereinander den Raum, Er’ril als letzter. Er warf noch einen Blick zurück, bevor er die Tür schloss. »Aber nur einen Augenblick.«
Mikela neigte leicht den Kopf, sowohl zur Bestätigung seiner Worte als auch zum Zeichen ihres Dankes.
Er’ril schloss die Tür. »Leg den Riegel vor!« rief er ihr durch die dünnen Kiefernbretter zu.
Mikela wand sich aus ihren Schwertgurten, dann ließ sie sich wie ermattet auf dem Bett neben Elena nieder. »Wie hast du es nur so lange mit ihm ausgehalten?«
Die Art, wie Mikela die Augen verdrehte, sowie ihr Gesichtsausdruck, eine Mischung aus Erschöpfung und Erheiterung, berührten alte Erinnerungen in Elena. Das war die Frau, die sie aus der Vergangenheit kannte, nicht die kaltblütige Kriegerin, der sie sich soeben noch gegenübergesehen hatte.
»Tante Mi …« Elena wusste nicht, wie sie anfangen sollte.
Mikela wandte das Gesicht Elena zu. Zum ersten Mal sah Elena die tiefen Falten, die jetzt das Gesicht ihrer Tante zeichneten, und die müden, blutunterlaufenen Augen. Die weiten Reisen durch das Land hatte ihr mehr abverlangt, als ihre tapferen Worten preisgegeben hatten.
Mikela legte beide Hände flach an Elenas Wangen und seufzte, während sie Elena tief in die Augen sah. Dann hob sie eine Hand und fuhr mit den Fingern durch Elenas kurz geschorenes und gefärbtes Haar. »Deine wunderschönen Locken!« sagte sie traurig.
»Das … das wächst wieder«, entgegnete Elena mit gesenktem Blick.
Mikela seufzte. »Ja, aber deine Augen verraten mir, dass auch Teile deines Wesens auf dieselbe Weise gestutzt wurden - ohne wieder zu wachsen.« Schmerz schwang nun in ihrer Stimme mit. »Du bist gereift, Elena. Wahrscheinlich mehr, als du selbst ahnst.«
Tränen drohten aus Elenas Augen zu kullern, aber sie wehrte sich innerlich dagegen, zu weinen.
Mikela senkte die Hände. »Ich hätte mich damals in Winterberg deiner annehmen sollen. Tante Fila vermutete, dass du die Eine sein würdest, aber wir waren nicht sicher. Die Schwesternschaft hatte sich in der Vergangenheit schon öfter geirrt. Sobald ich von Tante Filas Tod erfuhr, versuchte ich, ins Tal zurückzukehren, doch als ich endlich dort ankam, wart ihr alle weg. Jemand hätte für dich da sein müssen. Ich hätte für dich da sein müssen.«
»Joach hat mir geholfen«, sagte Elena und musste beim Gedanken an ihren Bruder schlucken. »Aber er … aber er …«
Mikela tätschelte ihr Knie. »Ich weiß, Elena. Die Schwesternschaft hat erfahren, was geschehen ist. Ich wurde ausgeschickt, um dich zu suchen.«
»Warum?«
»Aus verschiedenen Gründen. Nicht nur, um dich zu beschützen, sondern auch, um dich in den Fähigkeiten der Kriegführung zu unterweisen und dir beizubringen, wie man mit einem Schwert und einem Dolch umgeht.«
»Aber ich habe doch meine
Weitere Kostenlose Bücher