Alasea 02 - Das Buch des Sturms
das Geschöpf jetzt an ihnen vorbeikam, bebten diese Ratten, und ledrige Flügel sprossen aus ihren Rücken. Sie flogen hinter ihrem Anführer her, flatterten an seinen massigen Schultern vorbei und verschwanden in der Nebelnacht. Eine Ratte jedoch, die immer noch herumtrödelte, kaute auf etwas herum, das sie zwischen den Kiefern hielt.
Torring sah genauer hin. Es war ein Finger. Die Beute, die entflohen war, war nicht unverletzt davongekommen. Der Funke eines Elementarfeuers war in dem Blut, das aus dem abgetrennten Finger tropfte. Noch ein Elementarmagiker! Die Ratte spürte anscheinend Torrings Aufmerksamkeit auf sich. Aus Angst vor dem Zorn des Zwergenherrschers ließ sie den Finger fallen und schüttelte die angelegten Flügel frei, um den anderen zu folgen.
Warte, signalisierte er dem zitternden Teilstück der Meute. Bring mir deine Mahlzeit. Zögernd hob der Dämon seine Beute wieder auf.
Gut, gut … so, jetzt folge den anderen.
Mit einem leisen Quieken breitete die Ratte mit neuerlichem Selbstvertrauen die Flügel aus und erhob sich in die Luft, wobei sie den wertvollen Gegenstand zwischen den winzigen Kiefern trug. Ein schwaches Elementarfeuer kennzeichnete ihre Flugbahn hinaus in die Nacht.
Torring beobachtete den Zug der Meute durch Seitengassen und auf Schleichwegen durch Schattenbach.
Zufrieden, weil seine Befehle befolgt worden waren, gestattete Torring sich, die Augen zu schließen. Er legte die Kugel aus Schwarzstein in den Schlamm am Boden des Turmkellers und ließ sie los. Mit einem Finger zog er einen silbernen Bogen über die glatte Oberfläche.
Hätte sein Volk doch nur die Schwarzsteinader unter den Bergen ihrer gul’gothanischen Heimat entdeckt, dann vielleicht …
Torring schüttelte den Kopf. Törichte, müßige Gedanken. Sein Volk hatte sich entschieden - genau wie er sich seinerseits entschieden hatte.
Er hob den Finger von dem Stein und seufzte. Er stellte sich erneut die Magik-Kraft des Gefangenen vor, den er heute Nacht geschnappt hatte. Und was war mit dem, der entkommen konnte? Wenn der nun auch so stark war? Ob Torring beide nach seinem Willen formen konnte?
Torring genoss die Vorstellung von zwei Bösewächtern mit ausgeprägter Magik, die zu äußerster Brutalität fähig waren.
Durfte er es wagen, zu hoffen?
Mit einer Hand über dem Herzen sah Elena bekümmert zu, wie Er’ril Kral versorgte. Er wickelte einen straffen Verband um die blutende Hand des Gebirglers. »Kral wird mit dem Leben davonkommen«, sagte er und erhob sich. Er betrachtete das große Schlachtross, das über seinem verwundeten Herrn stand und Wache hielt. »Wir haben keine Zeit, um ihn fortzuschaffen, aber Rorschaff wird ihn bewachen.«
Er’ril warf einem Jungen, der die Flammen des brennenden Lagerschuppens begaffte, eine Kupfermünze zu. »Halte unsere Stute fest«, sagte er zu dem Kind, nahm Elena Nebelbrauts Zügel ab und hielt sie dem Jungen hin, »dann bekommst du noch einen Kupferling für deine Mühe.«
»J … ja, Herr!« Der Junge starrte das glänzende Kupfer in seiner Hand an und nahm die Zügel blind entgegen.
Um sie herum wimmelte es jetzt von Männern, die Eimer trugen, und Frauen, die die beiden Pumpen auf dem Platz bedienten. Eine Kerzengießerei und ein Schuhmacherladen zu beiden Seiten des Lagerschuppens wurden unter Wasser gesetzt, um sie vor den sich ausbreitenden Flammen und herumfliegenden brennenden Scheiten zu schützen.
Ein großer, bärtiger Mann kam zu ihnen gerannt. Es war der Mann, der ihnen den Lagerschuppen vermietet hatte. »Was ist geschehen?« Er schaute zu dem brennenden Gebäude.
Er’ril straffte sich und zog sein Schwert. »Das werden wir bald herausfinden.« Er drehte dem Mann den Rücken zu und ging voraus zum Schuppen.
Die Front des Gebäudes hielt dem Feuer bis jetzt noch stand, doch vom Dach loderten Flammen hoch hinauf in die Nachtluft, und Rauch quoll aus der offenen Tür heraus. Der Lagerschuppen würde nicht mehr lange stehen.
»Beeilung!« drängte Er’ril.
Mikela folgte, mit Elena im Schlepptau.
Außer Atem, sowohl vom Rauch als auch vor Angst, keuchte Elena beim Laufen schwer. Die Hitze, die von dem Gebäude ausging, wurde immer unerträglicher. Ihre Wangen röteten sich, und ihre Augen tränten.
Er’ril hielt einen Mann mit einer Schürze an, der mit einem Eimer an ihnen vorbeirannte. »Übergieße uns mit Wasser!« befahl er.
Der Mann, dessen Gesicht von Schweiß und Ruß verschmiert war, starrte ihn an, als ob er verrückt
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