Alasea 02 - Das Buch des Sturms
wäre, doch das Schwert, das auf seinen Bauch gerichtet war, ließ ihn schweigen.
»Freunde von uns sind da drin«, erklärte Er’ril hastig. »Wir müssen ihnen helfen.«
Der Mann riss die Augen weit auf und winkte eine stämmige Frau zu sich. Sie trug in jeder Hand einen Eimer. »Hilf uns, Mab’el!« rief er. »Diese Leute wollen versuchen, da reinzugehen und nachzusehen, ob noch jemand lebt.«
Die Frau schlurfte mit mürrischem Gesicht herbei. »Blöde Idee. Die bringen sich doch bloß auch noch selbst um.«
»Mach schon, Mab’el!« Der Mann nahm seinen Eimer und schüttete ihn über Er’rils Kopf aus. »Was würdest du tun, wenn ich da drin wäre?«
Die Frau goß Wasser über Mikela. »Ich würde dich verbrennen lassen«, sagte sie. »Dann hätte ich dich mit deinen komischen Marotten endlich los, jawohl!« Doch ihre besorgten Augen verrieten, dass ihr keineswegs so zumute war, wie sie tat.
»Den Jungen auch«, verlangte Er’ril und deutete dabei auf Elena.
Die stämmige Frau betrachtete Elena erstaunt.
Mikela beantwortete ihre unausgesprochene Frage. »Er ist ein Feuerwicht«, sagte sie und bezeichnete Elena damit als einen Elementarmagiker, der Flammen beherrschte. »Wenn unsere Freunde noch am Leben sind, dann brauchen wir seine Hilfe.«
Mab’el nickte wissend und schüttete ihren zweiten Eimer über Elenas Kopf aus. Elena erschauderte bei der kalten Berührung, doch das Brunnenwasser milderte immerhin die Hitze des Feuers.
Er’ril musterte sie, als ob er Elenas seelische Kraft abschätzen wollte.
Sie sah ihm direkt in die Augen, bis er nickte und sich dem Lagerschuppen zuwandte.
Patschnass und triefend, rannten sie in Richtung des Gebäudes. Rauch stach ihnen in die Augen und brannte ihnen in den Nasen. Da setzte das Sommergewitter, das sich seit Sonnenuntergang angekündigt hatte, endlich ein. Eine steife Brise trieb den Rauch über den Platz und dünnte ihn ausreichend aus, dass man atmen konnte, und ein Blitz zerriss den Himmel.
Regentropfen klatschten auf die Pflastersteine. Hinter Elena brachen die Stadtbewohner in lauten Jubel aus.
Den Rücken dem allgemeinen Tumult zugewandt, streifte Elena den Handschuh von ihrer Rechten und setzte ihren roten Fleck den Flammen aus. Sie brauchte einen Augenblick, um ihren Dolch aus der Scheide an ihrem Gürtel zu ziehen, da sich der Knauf mit der geschnitzten Rose in den Ranken des Moosgewächses, mit denen ihre linke Hand umwickelt war, verfangen hatte. Sobald sie ihn herausbekommen hatte, ritzte sie sich den Daumen auf und benetzte ihre Augen mit dem Blut.
Mikela bemerkte ihr Tun. »Elena, was machst du da?«
»Das Blut wird mich befähigen, die Bahnen der Magik um mich herum zu sehen«, antwortete sie.
Zufrieden nickte Mikela, als ob das ein ganz normale Äußerung für eine junge Frau wäre.
Als sie an dem zerstörten Eingang zum Lagerschuppen ankamen, griff Elena nach dem Quell der Macht in ihrem Herzen. Sie fühlte die vertrauten Strömungen üppiger Energie; ihre Haut kribbelte. Vor ihr betrat Er’ril den Lagerschuppen; er hielt den Kopf tief gesenkt, um dem schlimmsten Rauch zu entgehen. Elena folgte mit Mikela, die sie mit beiden Schwertern in den Händen nach hinten absicherte.
Hustend wischte sich Elena Ruß vom Gesicht; die Hitze hatte innerhalb weniger Augenblicke ihre Wangen getrocknet, sodass sie jetzt brannten. Sie sah sich in alle Richtungen um.
Das Innere des Lagerschuppens war ein schwelendes Schlachtfeld. Lichterloh brennende Stücke des Deckengebälks erhellten den Raum. Ein Teil der hinteren Wand war eingestürzt und hatte ihren Wagen zerschmettert. Er war ein Wrack. Was nicht zerdrückt worden war, war den Flammen zum Opfer gefallen.
Doch der Verlust ihrer Ausrüstung kümmerte sie im Augenblick am wenigsten.
»Da drüben!« Er’ril deutete auf eine große Gestalt, die an der gegenüberliegenden Seite am Boden lag. »Tol’chuk«, sagte er. »Und ich glaube, da neben ihm - das ist der Wolf.«
Elena benutzte all ihre Willenskraft, um die Magik in ihrer Faust wachsen zu lassen. Um ihre rechte Hand leuchtete jetzt ein Strahlenkranz aus Energie. Vor Elenas Augen verschwamm alles, als die Magik plötzlich ihre Sicht veränderte. Neben ihr leuchtete Mikelas Elementarflamme hell und klar, wie eine weiße Kerze in der Nacht.
Elena blickte zu den Gestalten hinüber. Ihre Magik-Sicht war vom Rauch und der beißenden Luft unbeeinträchtigt. »Ja, das sind die beiden«, bestätigte sie Er’rils Vermutung, »aber ich sehe
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