Alasea 02 - Das Buch des Sturms
Fingern durch das struppige Haar. Ein leichtes Lächeln kräuselte die Winkel ihrer Lippen. Einen Augenblick lang glaubte sie sogar, den Geruch der Heimat wahrzunehmen.
»Kind, du würdest besser reiten, wenn du die Augen offen hieltest«, sagte Er’ril, dessen reisemüde Stimme die Gedanken an ihr Zuhause zerriss.
Elena richtete sich im Sattel auf und öffnete die Augen. Bergbuchen, Kiefern und Pinien säumten ihren Weg. Vor sich sah Elena die Rückseite des Wagens, der durch das unebene Gelände holperte. »Nebelbraut folgt immer den anderen. Sie lässt mich nicht auf Abwege geraten«, murmelte sie.
Er’ril gab seinem Reittier die Fersen; er saß auf einem der großen Pferde der Gebirgler, einem weißen Hengst, dessen Fell sich kaum von dem Eis und dem Schnee der Gipfel abhob. Der Mann aus der Prärie, bekleidet mit kniehohen schwarzen Stiefeln und einer dunkelbraunen Reitjacke, kam auf gleiche Höhe mit Elena. Ein rotes Lederband hielt seinen schwarzen Haarwust am Hinterkopf zusammen, sodass sein zerfurchtes Gesicht einigermaßen frei war, doch der heftige Wind auf dem Pass hatte einige Locken gelöst, die nun wie Fahnen hinter ihm wehten. Er und sein Pferd überragten die graue Stute und ihre Reiterin um einiges.
»Hast du in letzter Zeit geübt, was ich dir beigebracht habe?« fragte er streng, und seine Augen blinzelten in der spätnachmittäglichen Sonne.
Sie wich seinem Blick aus und betrachtete stattdessen eingehend den Knauf ihres Sattels. »Ich habe ein bisschen geübt.« Er’ril hatte ihr die Grundkenntnisse der Beherrschung und einfachen Ausübung von Magik beigebracht, soweit er sich damit auskannte. Er’rils Bruder Schorkan war ein mächtiger Zauberer gewesen, bevor er sich zur Erschaffung des Blutbuches geopfert hatte, und während ihrer gemeinsamen Zeit hatte Schorkan Er’ril einen Teil seines geheimnisvollen Wissens übermittelt.
Der Präriemann seufzte und streckte die Hand aus, um ihre Zügel zu führen, während er gleichzeitig die Bewegungen seines eigenen Pferdes mit Absatz und Schenkel steuerte. »Hör zu, Elena, ich habe volles Verständnis dafür, dass du zögerst, die in dir schlummernden Kräfte zu wecken, doch …«
»Nein. Du irrst dich.« Sie streifte den Handschuh von ihrer linken Hand und entblößte den blutroten Fleck. »Ich habe mich entschieden, die Last auf mich zu nehmen, und ich furchte sie nicht.« Sie streckte die Finger nach Er’rils Handgelenk aus, und genau wie sie es erwartet hatte, entzog er sich ihrer Berührung. »Du und die anderen«, sagte sie, »ihr fürchtet euch vor der Kraft.«
Sie sah auf, doch Er’ril erwiderte ihren Blick nicht. »Es ist nicht so, dass wir …«, setzte er an.
Doch Elena hob die rote Hand, um ihn zu unterbrechen. »Mir sind die Blicke der anderen nicht entgangen«, fuhr sie fort, »und auch nicht ihr Ausweichen, wenn ich sie berühren wollte. Ihre Angst erschreckt mich mehr als die Magik.«
»Tut mir Leid, Elena, aber du musst etwas begreifen. Es ist Jahrhunderte her, dass jemand das Zeichen der Rose getragen hat - und noch länger, dass dies bei einer Frau der Fall war.«
»Aber siehst du denn nicht das Mädchen hinter der Rose?« Sie zog den Handschuh wieder an. »Ich bin mehr als nur der Fleck auf meiner Hand.«
Als sie den Blick hob, merkte sie, dass Er’ril sie nachdenklich ansah; seine harten Gesichtszüge waren weicher geworden. »Gut ausgedrückt, Elena«, erwiderte er. »Kann sein, dass ich in dir zu sehr die Hexe gesehen habe - und nicht die Frau.«
Sie nickte zum Zeichen ihres Dankes. »Vielleicht solltest du beides sehen. Denn ich vermute, dass im Laufe dieser Reise beides gleichermaßen auf die Probe gestellt werden wird.«
Er’ril antwortete nicht, doch er streckte die Hand aus und drückte ihr Knie. »Du bist während der Zeit bei Krals Leuten um einiges erwachsener geworden. Mehr, als ich für möglich gehalten hätte.«
»Das muss an der Bergluft liegen«, erklärte sie mit dem Anflug eines Lachens.
Er tätschelte ihr das Bein und schenkte ihr eines seiner seltenen Lächeln. Dabei berührte sie etwas tief im Inneren, das über die Berührung seiner Hand an ihrem Knie weit hinausging. Eine Mischung aus Erleichterung und Bedauern durchflutete sie, als er die Hand wegnahm.
Er’ril lenkte seinen Hengst ein paar Schritte zur Seite, während Elena Nebelbraut die Fersen gab, um hinter dem sich entfernenden Wagen herzupreschen. Sie seufzte. Plötzlich kam ihr die Reise nach A’loatal gar nicht mehr so lang
Weitere Kostenlose Bücher