Alasea 02 - Das Buch des Sturms
enthoben, belauschte die Gedanken und Handlungen dieses Geschöpfs, das vom Schwarzen Herzen geschaffen war. Der Zwergenherrscher hatte die Absicht gehabt, einen Kader aus Bösewächter-Soldaten zu schaffen und ihn seinem Willen zu unterwerfen - Bösewächter, die etwas tun konnten, was Torring selbst niemals schaffen würde: den Try’sil aus seinem Gefängnis befreien. Das Vorhaben war misslungen. Stattdessen war er selbst zu einem Bösewächter geworden. Er lachte, nicht über die Ironie der Situation, sondern darüber, wohin der Blutjäger lief. Wie hätte er eine solche Schicksalswendung voraussehen können?
Während er darüber nachdachte, fielen ihm die weisen Worte seines Vaters ein: Schau nicht weiter als bis zu deiner eigenen Nasenspitze, um Antworten auf deine Gebete zu suchen.
Wie blind er gewesen war!
Tief im Inneren des Blutjägers begleitete unbändiges Gelächter das Geschöpf die Felswand hinunter.
Zwischen Glimmtiegeln, die die nächtlichen Insekten im Zaum hielten, saß Elena mit überkreuzten Beinen auf einer roten Webmatte und betrachtete die Platte mit seltsamen Früchten, die vor ihr stand. Links und rechts neben ihr saßen Er’ril und Mikela, während Ferndal ein wenig Abstand hielt. Elena wusste nicht, was sie mit dieser Gabe anfangen sollte. Sie hatte solches Obst noch nie gesehen und hatte nicht die geringste Ahnung, wie man dieses Zeug mit der so seltsamen Haut essen sollte. Schälte man die grüne, pralle Kürbisfrucht, oder biss man einfach hinein? Und was war mit diesen Früchten, die wie Sterne aussahen?
Elena warf einen Blick zu ihrem Gastgeber. Jaston war gerade dabei, ein nicht weniger seltsames Gebräu in Becher einzuschenken, die er vor seine Gäste hingestellt hatte. Im Licht der Laternen wirkten die Narben ihres Gastgebers noch abscheulicher. Seine Haut bot ein Bild der Verwüstung; hässliche Wirbel aus gerunzeltem, rosafarbenem Fleisch waren durchzogen von weißen Streifen. Elena hielt den Blick abgewandt, während Jaston wegging, um den Rest ihrer Mahlzeit zu holen. Anscheinend war ihm ihr Unbehagen nicht entgangen, denn er hatte sich eine Kapuze über den Kopf gezogen, um sein Gesicht in Schatten zu hüllen.
Er’ril musterte den Mann mit finsterer Miene, als dieser sich entfernte. Der Marsch von der Klippe zu Jastons Behausung war für Er’ril sehr anstrengend gewesen. Jaston hatte es abgelehnt, weitere Erklärungen zu seiner ersten Bemerkung, die Sumpfhexe habe ihn geschickt, um sie zu empfangen, abzugeben. »Das ist eine lange Geschichte, die sich am besten beim Essen erzählen lässt«, hatte er gesagt und sich dann umgewandt, um ihnen vorauszugehen. Nur Mikelas beharrliche Beteuerung, dass man Jaston vertrauen könne, hatte Er’ril dazu bewogen, zu folgen. Trotzdem hielt der Präriemann während des ganzen Weges stets die Hand am Knauf seines silbernen Schwerts.
Zum Glück war es keine weite Strecke bis zur Handelsstadt Trockenwasser gewesen, die am Rand des Sumpfs lag, wobei Stadt nicht das richtige Wort war, um die Anhäufung von baufälligen Pfählen zu beschreiben, auf denen die groben Behausungen von Trockenwasser standen. Diese Blockhütten waren durch ein Labyrinth von schwimmenden Stegen und Seilbrücken miteinander verbunden. Ein paar größere Häuser aus Ziegel und Stein waren auf festerem Grund oberhalb des Wassers erbaut worden, doch der größte Teil von Trockenwasser erwuchs aus den Pfählen: schiefe Hütten aus aufgeklaubtem Holz und gewebten Stoffbahnen. Einige waren sogar in den hohen Zweigen einer gewaltigen Zypresse errichtet worden; die Lampen in ihren Fenstern sahen aus wie Glühwürmchen in den Ästen.
Als die Reisegruppe Trockenwasser erreicht hatte, war die Nacht hereingebrochen. Nachdem sie ihre Pferde in einem Stall am Rand der Stadt zurückgelassen hatten, hatte Jaston sie über ein Gewirr von schwimmenden, schwankenden Stegen aus faserigen, tangartigen Hülsen geführt. »Sumpfkraut«, hatte Jaston erklärt, als er Elenas neugierigen Blick auf die Hülsen bemerkte. »Wächst überall wild, aber in Trockenwasser haben wir es bewusst angepflanzt, als Schwimmhilfe sozusagen. In diesem Wasser kann man nicht untergehen.«
Mit diesen spärlichen Worten hatte er sie weiter durch das Labyrinth von Stegen und Brücken geführt. Unterwegs hatte Jaston immer wieder Bewohnern der Stadt zugewinkt, einem argwöhnisch lauernden Haufen von Gesichtern, die vom Sumpf gezeichnet waren. Doch diese grobschlächtigen Männer waren nicht die
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