Alasea 05 - Das Buch der Entscheidung
Schultern abfiel. Als er nun auf seine Magik zugriff, sträubte sich sein Silberhaar und umgab ihn mit einer Wolke aus Energie. Er hatte seine Kräfte wieder!
Merik wich zu den anderen zurück, während sich der Stammesvater, aus unzähligen Kratzwunden blutend, aus dem Rankengewirr zu befreien suchte. Ni’lahn breitete die Arme aus, die Hecke verlängerte sich nach beiden Seiten, wurde dichter und höher und umgab die Gruppe wie eine dornige Festung.
Jenseits der Hecke scharten sich die Gestaltwandler um ihren Stammesvater und gingen zum Angriff über. Erbost über den Anblick der kahlen, abgestorbenen alten Bäume, strömten die Si’lura von allen Seiten herbei. Füße, Pfoten und Hufe wühlten sich mit lautem Rascheln durch das abgefallene Laub. Es klang, als wütete ein verheerender Waldbrand.
Ein Teil der Gestaltwandler schwang sich in die Lüfte und stieß auf die Gefährten inmitten des Dornenwalls herab. Doch Merik setzte seine eigene Magik frei und wehrte sie mit jähen Böen und unberechenbaren Luftströmungen ab.
Einige Si’lura versuchten, sich unter der Hecke durchzugraben, aber Ni’lahn warf ihnen immer wieder neue Hindernisse entgegen. Rücken an Rücken, in langsamer Drehung um die eigene Achse, verteidigten die Nyphai und der Elv’e ihre selbst geschaffene Festung.
Mitten im Kampfgetümmel kauerte Joach neben Harlekin und starrte auf den großen toten Baum mit den kahlen Ästen. »Elena …«
Jenseits der Hecke lag der Teich, mit kupferroten Blättern bedeckt. Nichts regte sich. Von Er’ril oder Elena war nichts zu sehen.
Im Laufe der vergangenen Monde hatte Joach ein Schlag nach dem anderen getroffen der Verlust seiner Jugend, Keslas Tod , doch jetzt wurde ihm klar, dass er noch gar nicht ahnte, was Verzweiflung tatsächlich bedeutete. Es war, als stürze er in einen schwarzen Schacht, der kein Ende nahm. Das Schreien und Wehklagen der Kämpfenden drang nur noch gedämpft zu ihm, die Welt verlor ihre Farben und verblasste.
Ein schriller Aufschrei lenkte seinen Blick nach links. Im Boden hatte sich ein Loch aufgetan, und irgendetwas zog Bryanna darauf zu. Gepanzerte Scheren hielten ihren Fuß fest wie in einem Schraubstock.
Ihr Bruder Günther kam ihr ohne ein Wort, aber mit wilder Entschlossenheit zu Hilfe. Er packte die Scheren mit den Fingern und bog sie mit der ganzen Kraft seiner mächtigen Arme auseinander. Aus dem Loch war ein Wimmern zu hören.
Bryanna befreite ihren Fuß und rollte sich weg.
»Zurücktreten!« rief Ni’lahn herüber.
Günther ließ die Scheren los und warf sich zur Seite. Hinter ihm wuchs ein Dornengewirr aus dem Boden, wurde mit jedem Herzschlag dichter und verstopfte das Loch.
»Es sind zu viele!« rief Ni’lahn. »Sie kommen von allen Seiten.«
Wie zur Bestätigung schoss ein großer Schatten an Joach vorbei, packte einen der Fallensteller und flog mit ihm über die Hecke. Joach sah dem Entführten nach. Der Mann hing mit den Schultern in den Krallen eines riesigen Rochs und zappelte aus Leibeskräften. Er war so schwer, dass der Gestaltwandler sein Gewicht auf Dauer nicht halten konnte. Der Fallensteller stürzte herab und schlug vor der Hecke hart auf dem Boden auf.
»Dimont!« schrie Günther.
Doch es war schon zu spät: Ein Dutzend Bestien Wölfe, Schnüffler, Großkatzen stürzten sich auf den Körper.
»Lange können wir uns nicht mehr halten!« rief Merik.
Joach schüttelte den Kopf. War denn nicht alles egal? Wofür kämpften sie eigentlich noch?
Hinter ihm ertönte ein Gebrüll, das ihm bekannt vorkam. Joach drehte sich um und sah einen Bären, der aufrecht auf den Hinterbeinen stand. Hinter dem Stammesvater wimmelte das ganze Tal von Si’lura, die sich in Tiere jeder Art und Größe verwandelt hatten. Joach beherrschte zwar die Geistsprache der Gestaltwandler nicht, aber die schwarzen Gedanken des Anführers konnte er ohne Mühe lesen: Er wollte sie alle töten.
»Da kommen sie!« schrie Merik.
Mit barbarischem Geheul führte der Stammesvater sein Volk in den letzten Angriff. Doch bevor sie gegen die Dornenhecke anrennen konnten, erschütterte ein Donnerschlag das Tal. Alle erstarrten. Der Stamm des großen Geistbaumes in der Mitte des Teiches war von der Krone bis zur Wurzel auseinander gebrochen. Die beiden Hälften hingen schräg nach außen, ohne jedoch umzukippen. Aus dem geborstenen Holz stieg dichter Nebel auf.
Ein eisiger Hauch wehte über das Tal, als sei mitten im Sommer der Winter eingebrochen. »Raureif!« flüsterte
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