Alasea 05 - Das Buch der Entscheidung
Ni’lahn und ließ die Arme sinken.
Hinter den Dornenranken regten sich die Gestaltwandler. Ihr Knurren und Zischen klang jetzt gedämpfter und weniger selbstsicher.
Dorn, die immer noch Frauengestalt trug, trat näher an den Teich und den Baum heran. »Was hat das zu bedeuten?« fragte sie. Sie sprach nicht laut, aber es war so still geworden, dass ihre Stimme weit trug. Sie betrachtete die beiden gegnerischen Parteien, als überlege sie, wer der Schuldige sei und womöglich ihre Frage beantworten könnte.
Doch die Antwort kam von hinten. Im Teich bildete sich ein Strudel, der das Laub auf der Oberfläche in die Tiefe riss. Aus seiner Mitte schoss auf einer Säule aus gefrorenem Wasser eine Eisfaust hoch in die Luft empor.
Der Teich trat über die Ufer. Dorn tänzelte zurück, aber bevor die Wellen den Schlamm erreichten, erstarrten sie zu Eis. Um die Säule herum bildete sich eine Eisschicht, die sich immer weiter ausbreitete. Der Schlamm wurde hart, im Ufer taten sich Risse auf, eine Schicht Raureif legte sich über die Mitte des Tales. Wo die eisigen Nebel die Dornenhecke streiften, wurden die Blätter schwarz und verschrumpelten, und die Stängel zerbrachen wie Glas.
Alle Augen richteten sich auf die Eisfaust auf der Säule. Unter der kristallklaren Oberfläche war eine dunkle Gestalt zu erkennen.
»Elena …«, flüsterte Joach.
Die Faust zersprang, als hätte sie ihn gehört. Die Scherben spritzten nach allen Seiten. Als die Sicht wieder frei war, erkannte Joach Elena und Er’ril. Elena kauerte auf der Säule und stützte sich auf ihre linke Hand die Kaltfeuerhand, die jetzt blass und kraftlos war.
Die andere Hand streckte sie denen entgegen, die unter ihr versammelt waren. Um die rubinroten Finger tanzte das Hexenfeuer.
Hinter ihr rappelte sich Er’ril benommen auf.
Joach erhob sich. »Elena!«
Elena war noch halb betäubt, ihre Lungen brannten, und sie hatte Mühe zu verstehen, was sie vor sich sah. Das mondhelle Tal wimmelte von Gestaltwandlern. Ihre Freunde standen unweit von ihr und waren von einer Dornenhecke umgeben.
Joach rief ihren Namen, aber seine Stimme klang seltsam weit weg.
Ihre Ohren hatten sich vom Druck des Wassers noch nicht erholt. Ihr Atem ging laut und röchelnd. Außerdem fühlte sie sich wie ausgepumpt, seit sie fast ihre gesamte Magik dafür aufgewendet hatte, sich an die Oberfläche des Teichs zu befördern.
Eben erst war sie, dem Ertrinken nahe, durch den Chor der wilden Magik in ihrem Blut dem Vergessen entrissen worden. Als sie erkannt hatte, dass es Er’ril war, der sich an sie klammerte, war sie, mehr um seinetwillen, als um sich selbst zu retten, blind ihrem Trieb gefolgt. Sie hatte auf ihr Kaltfeuer zugegriffen und die Magik in das Wasser unter sich geleitet, sodass sie beide in einer Eisfaust auf einer Säule aus Eis an die Oberfläche getragen wurden. Anschließend hatte ein dünner Hexenfeuerstrahl genügt, um sie beide aus dem Eis zu befreien.
Nun zügelte Elena dieses Feuer, löschte die tanzenden Flammen und drängte den Ruf der wilden Magik zurück.
»Alles klar?« fragte sie Er’ril. Ihre Stimme klang schwach und rau.
Er kam auf die Knie. »Jetzt schon … nachdem du in Sicherheit bist.« Der eherne Klang seiner Stimme gab ihr Kraft.
Unten trat Dorn näher. »Was ist geschehen?« rief die Jägerin zu ihnen empor.
Elena musste sich vorsehen, um auf der glatten Säule nicht auszurutschen. Er’ril blieb auf den Knien liegen und hielt ihre vor Kälte zitternden Beine fest. Sie hatte immer noch Eiszapfen in den Kleidern und im Haar. Ein heftiger Schauer überlief sie, sie drohte das Gleichgewicht zu verlieren.
»Elena«, wiederholte Dorn, »was ist geschehen?«
Ein Bär trottete auf die Jägerin zu. Elena machte große Augen. Das riesige Tier schüttelte sich, und der Bärenschädel bekam menschliche Züge. Sie erkannte Dorns Vater, den Stammesvater der Si’lura.
Er ließ ein wütendes Knurren hören, aus dem sich nur langsam Worte herausschälten. »Du hast uns allen den Tod gebracht!«
Elena hatte Mühe, ihn zu verstehen. Außerdem wusste sie nicht, wie sie von der Säule herunterkommen sollte. Das Eis schmolz bereits, und das Schmelzwasser wusch tiefe Rinnen aus.
»Nimm dich in Acht«, murmelte Er’ril zähneklappernd. »Die Si’lura glauben, du hättest ihren Geistbaum zerstört.«
Elena sah zu den beiden hinab. Ihre Zunge war wie erstarrt und gehorchte ihr nur widerwillig. »Die Wurzel zerstört? Das würde ich doch niemals
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