Alasea 05 - Das Buch der Entscheidung
sollte der Raum zugemauert und nie wieder geöffnet werden. Das war die sicherste Lösung. Schließlich hatten sie die Fracht nicht unbeaufsichtigt auf dem Meeresboden liegen lassen können, und alle Versuche, die Eier zu verbrennen oder zu zerschlagen, waren gescheitert.
Also hatte das Gelege samt den Tentakelwesen, die darin heranreiften, geborgen werden müssen. Es war keine leichte Aufgabe gewesen. Diese Eier hatten schon so viele Opfer gefordert: die ganze Schiffsbesatzung, die besessenen Gelehrten, sogar die unersetzliche Bibliothek. Kast war von einem brennenden Zorn erfüllt, der ihn zu verzehren drohte. Er konnte kaum noch schlafen. In die Küche ging er nur selten, und dann schaufelte er das Essen achtlos in sich hinein, ohne den Geschmack überhaupt wahrzunehmen. Ständig war er auf der Suche nach irgendeiner Beschäftigung. Solange sich die Flotten für den Sturm auf Schwarzhall rüsteten, war es ihm nicht weiter schwer gefallen, seine Tage und Nächte mit Arbeit zu füllen. Doch seit die Streitkräfte ausgerückt waren, musste er sich damit begnügen, die Verteidigungsanlagen von A’loatal zu verstärken und bei der Bergung des Schwarzsteingeleges mitzuhelfen.
Am Morgen hatte er das Wrack zum letzten Mal aufgesucht, um sich zu vergewissern, dass auch nichts zurückgeblieben war. Sie hatten sogar den Sand im Umkreis des versunkenen Schiffs durchwühlt, um nur ja kein einziges Ei zu übersehen.
Als Kast sich nun der Insel zuwandte, steigerte sich seine Schwermut zu schwärzester Verzweiflung. Er hatte mit Dämonen und grässlichen Ungeheuern gekämpft und mit angesehen, wie seine Freunde getötet wurden, doch was ihn jetzt am meisten erschreckte und zu lähmen drohte, war das leere Bett, das ihn erwartete. Zum hundertsten Mal sah er Saag wans eiskalte Augen vor sich, hörte ihr grausames Lachen über seinen verzweifelten Widerstand in der Bibliothek, spürte ihre Berührung … ohne jede Zärtlichkeit, so eisig wie der glitschige Schlamm auf dem Meeresgrund.
Talans Stimme holte ihn in die Gegenwart zurück. »Wir werden erwartet.«
Die Drachen schossen mit ihren Reitern dem Hafen entgegen. Dort winkte ihnen jemand zu: Hant, der Sohn des Großkielmeisters. Ein Trupp Blutreiter stand hinter ihm.
Die Drachen drehten sich längsseits zur Hafenmauer. Hant bückte sich, streckte Kast die Hand entgegen und zog ihn auf den hölzernen Landungssteg. Kast bemerkte die finstere Miene, die verkrampften Schultern seines Kameraden. »Was ist geschehen?« fragte er.
»Zieh dich rasch an«, sagte Hant und wies mit dem Kopf auf die Kleidung, die Kast am Ende des Stegs hatte liegen lassen.
Der Blutreiter rieb sich den Oberkörper mit seinem Hemd ab, bevor er hineinschlüpfte. Der feuchte Stoff konnte auf dem Weg zur Burg trocknen. Dann zog er sich die Stiefel an und schnallte sich den Schwertgurt um. Schließlich wandte er sich wieder den anderen zu.
Hant beobachtete inzwischen die Seedrachen. »Ist das die letzte Fuhre?«
Kast nickte. »Achtzehn Stück.«
Hant ließ die Tiere im Wasser nicht aus den Augen. »Wie lange braucht ihr, um sie hinter Schloss und Riegel zu bringen?«
Kast blinzelte in die tief stehende Sonne. »Bis zum Einbruch der Dunkelheit müssten wir es schaffen.«
Hant zeigte auf die anderen Blutreiter. »Ich habe Männer mitgebracht, damit es schneller geht.«
»Warum so eilig?«
Hant antwortete nicht, sondern kniff nur ein wenig die Augen zusammen. Er wollte vor den anderen nicht darüber sprechen.
Kast verzichtete auf weitere Fragen, ballte die Faust und nickte Hant zum Zeichen, dass er verstanden hatte, unmerklich zu. Dann wandte er sich an Talan, der mit seinem Drachen Helia auf den Wellen schaukelte. »Ihr sollt das letzte Gelege so schnell wie möglich in das unterirdische Verlies bringen. Die Männer dort werden euch helfen. Sag den anderen Bescheid.«
»Zu Befehl!« Talan grüßte, indem er sich mit der Faust an die Schulter schlug. »Ho, Helia!« Reiter und Drache schwammen davon.
Kast wandte sich wieder an Hant. Der erteilte seinen Männern mit leiser Stimme knappe Anweisungen. Als er fertig war, nickte der Führer des Trupps und trat zurück. »Wir passen auf wie die Falken«, versprach er.
»Worauf sollen sie denn aufpassen?« fragte Kast. »Und warum habt ihr es mit den letzten Eiern so eilig?«
»Komm mit.« Hant ging über den Steg an Land. »Ich muss dir etwas zeigen.«
Kast blieb an seiner Seite. »Was denn?« fragte er ungehalten. Er hatte diese halben Antworten
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