Alasea 05 - Das Buch der Entscheidung
allmählich satt.
Hant wartete, bis die anderen sie nicht mehr hören konnten. »Zwei von den Eiern fehlen.«
Kast stolperte vor Schreck und blieb stehen. »Wie bitte?« fragte er entgeistert.
Hant bedeutete ihm zu schweigen und ging weiter. »Sie sind gestern während der Nachtschicht verschwunden. Ich habe die Gardisten verhört. Keiner will seinen Posten verlassen haben oder eingeschlafen sein, aber bei der Zählung heute Morgen waren zwei Eier zu wenig vorhanden.«
Kast schüttelte den Kopf. »Wie ist das möglich? Ein volles Dutzend Soldaten kann doch nicht so pflichtvergessen gewesen sein, dass ihnen ein Dieb durchschlüpfen konnte.«
Hant warf ihm einen ausdruckslosen Blick zu. »Die Nachtschicht war ausschließlich mit Mer’ai besetzt.«
Kast runzelte die Stirn. Es war die Regel, dass eine Mannschaft durchgängig aus Elv’en, De’rendi oder Mer’ai bestand. Doch er verstand, was Hant mit seiner Bemerkung sagen wollte. Saag wan war eine Mer’ai. War das womöglich der Grund, warum der Diebstahl ausgerechnet während einer Mer’ai Schicht vorgefallen war? Kast glaubte nicht daran, aber nun wurde ihm auch klar, warum sie im Hafen von einem ganzen Blutreiter Trupp in Empfang genommen worden waren. Wir passen auf wie die Falken.
Hant beugte sich näher zu ihm und sprach noch leiser. »Heute Morgen habe ich selbst noch einmal nachgezählt. Und dabei habe ich noch etwas entdeckt.«
»Was?«
»Ich möchte, dass du es dir selbst ansiehst.« Sie hatten das Ende des Stegs erreicht, wo sich wie üblich die Fischer und Hafenarbeiter drängten. Gespräche über Verräter und Verrat mussten warten.
Kast ging schweigend und in Gedanken versunken durch die Straßen. Im Innersten wünschte er sich sogar, Saag wan möge etwas mit diesem nächtlichen Diebstahl zu tun haben die Frau seines Herzens war seit einem halben Mond spurlos verschwunden. Er musste befürchten, dass sie schon auf dem Weg nach Schwarzhall war und er sie niemals wieder sehen würde. Aber wenn sie die Eier gestohlen hätte … wenn sie doch noch hier wäre …
Hoffnung keimte in seinem Herzen.
Sie erreichten die Burg und passierten die bewachten Tore. Sie durchquerten den Vorhof und gingen geradewegs zum Eingang der unterirdischen Verliese. Zwei Gardisten mit Speeren und Schwertern standen davor. Beide waren Blutreiter. Hant ging kein Risiko mehr ein.
Sie stiegen hinter den Gardisten eine Treppe hinunter und gelangten in einen dunklen Gang, der tief unter die Burg führte. Jeder Schritt erzeugte ein dumpfes Echo. Der Gang endete an einer eisenbeschlagenen Eichentür. Hant klopfte an den Rahmen. Eine kleine Klappe öffnete sich, und ein von Narben entstelltes Gesicht schaute heraus Gost, der stumme Kerkermeister. Er begrüßte den Blutreiter mit einem Knurrlaut. Dann rasselte er mit seinen Schlüsseln, und die Tür schwang kreischend in den rostigen Angeln. Er forderte sie zum Eintreten auf.
»Danke, Gost«, sagte Hant.
Der Kerkermeister nickte. Seine Augen waren gerötet; ein Stoppelbart bedeckte sein Kinn. Kast kannte seine Geschichte. Der ungeschlachte Bursche hatte während der Besatzung durch die Streitkräfte des Herrn der Dunklen Mächte in diesen Verliesen unsägliche Qualen erduldet. Man hatte ihm sogar die Zunge herausgeschnitten. Jetzt glänzten seine Augen wieder vor Angst: Gost war nicht glücklich darüber, dass sein Zellenlabyrinth zur Lagerung der Schwarzsteineier diente.
Kast konnte das bestens verstehen. Er spürte das Gelege schon hier draußen: Es verursachte ihm eine kribbelnde Gänsehaut am ganzen Körper, und die Luft war so dick wie Öl. Der Kerkermeister wirkte völlig erschöpft. Wahrscheinlich fand man in dieser Umgebung nicht so leicht Schlaf.
Gost verneigte sich, führte sie durch die Wachstube, in der er auch wohnte, und schloss die hintere Tür auf: den Eingang zu den Verliesen.
Sie betraten den Zellentrakt, und Kast deutete auf die Tür, die hinter ihnen wieder abgeschlossen wurde. »Hat Gost vergangene Nacht etwas von dem Diebstahl bemerkt?«
Hant schüttelte den Kopf. »Der Kerkermeister hatte nach dem Wachwechsel kurz vor Mitternacht niemanden mehr durch seinen Wohnraum gelassen.«
»Wie ist der Dieb dann hereingekommen?«
»Ich weiß es nicht, es sei denn, Gost wäre mit im Bunde gewesen.«
»Ich kann mir nicht denken, dass er sich nach allem, was er erdulden musste, auf die Seite des Schwarzen Herzens schlagen würde.«
»Vielleicht wurde er auch hinters Licht geführt … oder mit einem Bann
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