Alasea 05 - Das Buch der Entscheidung
erfüllten ihn. Wie …?
Die alten Treueide, auf mrylianischen Stahl geschworen und mit Blut besiegelt, erlauben mir, zu dir zu sprechen. Was aus Stein ist, kann niemals wirklich sterben, es schläft nur. Ich hörte deinen Ruf durch den Stein, hörte, wie du von deinem eigenen Blut befreit werden wolltest. Tiefes, grollendes Gelächter erscholl. Welche Torheit …
Tyrus packte der Zorn. Ich bin in einer Statue gefangen.
Und? Er vernahm ein Seufzen, als verschöben sich dicke Steinplatten tief unter der Erde. Du hast zu lange unter Piraten und Freibeutern gelebt. Weißt du nicht mehr, wer du bist? Du bist Prinz Tylamon Royson, Erbe und König von Burg Mryl, Herr des Nordwalls. In deinen Adern fließt Granit.
Tyrus wurde nachdenklich. Am Nordwall vielleicht, aber nicht hier.
Wo immer du dich befindest, du bist und bleibst ein Prinz, erklärte Kral mit einer Entschiedenheit, die keinen Widerspruch duldete. Und Granit ist Granit.
Tyrus horchte in sich hinein. Ob das die Wahrheit war?
Krals Stimme wurde leiser und versickerte in den steinernen Tiefen der Welt. Stein kann niemals ein Gefängnis für dich sein. Du bist der Fels, genau wie ich. Was brauchst du noch mehr Magik?
Damit verstummte er ganz.
Kral?
Tyrus bekam keine Antwort mehr. Doch er wurde für einen winzigen Moment zum Hellseher und konnte, auch das ein Erbe seiner Familie, in die Zukunft schauen. Die Zeit des Mannes aus den Bergen war zu Ende gegangen, aber in einem späteren Zeitalter würde er noch einmal zu einer letzten großen Tat aufgerufen. Deshalb behelligte Tyrus ihn nicht weiter, sondern überließ ihn seinem steinernen Schlummer. Hüte mein Familienschwert gut, Mann aus den Bergen. Halte es in Ehren.
Tyrus kehrte in die Gegenwart zurück und sah überrascht den Stein Magus nur wenige Schritte entfernt langsam dahinstapfen.
Er nahm sich zusammen, gab es auf, Hand oder Finger zu einer Bewegung zwingen zu wollen, und leitete seine Energie stattdessen nach innen, in sein eigenes Herz. Er beschwor Burg Mryl herauf, seine Heimat, der seine ganze Liebe gehörte. Am Nordwall brauchte er nur die Handflächen an den Granit zu drücken und seine Lebensenergie in den Stein zu leiten, schon wurde er selbst zu Stein und konnte durch die Felswände schwimmen, als wären sie aus Wasser.
Granit ist Granit. Die Worte des Gebirglers hallten in seinem Herzen nach.
Tyrus suchte seine Mitte, vergegenwärtigte sich, wer er war, wessen Blut in seinen Adern rann. Dann setzte er die Magik in seinem Herzen frei und unterstützte sie mit der geballten Kraft seines Willens.
Langsam verflüssigte sich die Luft. Stein erweichte zu Mörtel. Sein ausgestreckter Arm sank unter seinem eigenen Gewicht herab.
Tyrus zwang sein Herz zur Ruhe und wartete. Die erstarrte Welt taute weiter auf. Seine Gelenke ließen sich wieder biegen, seine Lippen öffneten sich; sein Brustkorb weitete sich. Vorsichtig zog er einen Fuß aus dem Boden und machte einen Schritt. Er watete wie durch zähen Sirup, aber er bewegte sich! Und der Zeitstrom kehrte in sein altgewohntes Bett zurück. Die Wolken rasten nicht mehr über den Himmel, sondern zogen gemächlich dahin.
Tyrus hob seine Arme. Sie waren nach wie vor so dunkelgrau wie unpolierter Stein. Der Bann war noch wirksam, aber er vermochte ihn nicht mehr zu fesseln. Er hob den Kopf und entdeckte den Stein Magus. Der Zeitstrudel hatte sich aufgelöst, der Magus stand scheinbar wie eine Statue da. Doch in Wirklichkeit bewegten sich seine Beine stetig und unbeirrt und trugen ihn langsam über die ansteigende Wiese.
Tyrus steckte sein versteinertes Schwert in die Scheide und folgte ihm. Er konnte seine Kameraden nicht ihrem Schicksal überlassen. Dieser Unmensch musste zurückkommen und sie befreien. Tyrus begann seinerseits, den Hang zu ersteigen, aber er war nur eine Winzigkeit schneller als der Magus. Granit war in der Tat Granit, er mochte flüssig sein, aber er war immer noch schwer. Tyrus versank bei jedem Schritt tief im weichen Boden. Es war so mühsam, als kämpfte er sich durch tiefen Schnee, doch er gab nicht auf.
Er war bis auf ein paar Längen an den Magus heran, als dieser spürte, dass ihm jemand folgte. Er drehte sich um. Der strenge Blick richtete sich auf Tyrus.
Der empfand eine gewisse Genugtuung, als sich die Überraschung auf dem Steingesicht ausbreitete.
»Wie …?« fragte der Magus.
Tyrus schleppte sich weiter den Hang hinauf. »Du bist nicht der Einzige, der Stein im Blut hat.«
»Dämon! Übler Bösewicht
Weitere Kostenlose Bücher