Alasea 05 - Das Buch der Entscheidung
…« Beschimpfungen strömten von den kalten Lippen. Die Hände des Magus ballten sich zu steinernen Fäusten.
»Ich bin kein Dämon.« Tyrus hatte ihn eingeholt und stellte sich neben ihn. »Und ich verwandle keine unschuldigen Menschen in Statuen, um sie anschließend dem Tod zu überlassen.«
Tiefe Falten gruben sich in die steinerne Stirn. »Unschuldig? Ich habe euer Schiff gesehen. Piraten seid ihr. Räuberische Haie.«
Ein Knurren rollte durch die steinerne Kehle, und ein irres Glitzern trat in die Augen. »Ihr seid nicht besser als die Bestien, die in der Stadt ihr Unwesen treiben.«
»Du tust uns Unrecht. Wir wollten niemandem schaden. Wir kamen nur an Land, um nach verschollenen Freunden zu suchen.«
Ein höhnisches Grinsen trat auf das Antlitz des Magus. »Ihr und eure verschollenen Freunde habt hier nichts verloren. Dies ist nicht euer Land, und ich werde es so beschützen, wie ich es für richtig halte.« Er wandte sich ab, so unaufhaltsam wie ein Felsblock, der einen Berg hinabrollt.
Tyrus hob die Hand, um ihm den Weg zu versperren, aber der Magus schlug sie beiseite, dass es krachte wie eine Steinlawine, und stieg weiter die Anhöhe hinauf.
»Du musst den Bann von meinen Freunden nehmen!« rief Tyrus und schleppte sich hinterher. »Oder ich jage dich, wenn es sein muss, bis nach Schwarzhall.«
Der Name der Festung des Herrn der Dunklen Mächte tat seine Wirkung. Der Magus fuhr für jemanden mit so schweren Steingliedern erstaunlich schnell herum. »Erwähne nie wieder diesen üblen Ort, dessen Fluch auf den Wäldern des Nordens liegt.«
»Du behauptest, dieses Land beschützen zu wollen. Warum behinderst du dann ausgerechnet diejenigen, die gegen die Schreckensinsel in den Krieg ziehen wollen?«
Verwirrung und Misstrauen mischten sich in den Zügen des Magus.
Tyrus setzte nach. »Du bist es doch, der die Sache des Herrn der Dunklen Mächte vertritt, nicht ich!«
Jetzt wurde der andere zornig. »Lügen!« fauchte er.
Tyrus streckte ihm beide Hände entgegen. »Steine lügen nicht. Wenn du als Verkörperung des Landes aus dem Land geboren bist, erkennst du auch die Wahrheit, die im Granit geschrieben steht.«
Der Magus starrte auf die geöffneten Hände und berührte sie langsam mit seinen eigenen Handflächen.
Tyrus sah ihm in die Augen. Granit traf auf Granit. Hoffentlich lichtete sich der Wahnsinn dieses versteinerten Wesens wenigstens so lange, dass es die Wahrheit erkannte. Er nahm allen Mut zusammen und sagte: »In zehn Tagen sollen vier Heere, bewaffnet mit der Magik des Landes selbst, gegen Schwarzhall vorrücken. Wir werden unser Leben einsetzen, um in diese Festung des Bösen einzudringen und den Schreckensherrscher aus seinem schwarzen Loch zu treiben.«
Mit jedem Wort wurden die Augen des Magus größer. Das Glitzern des Wahnsinns erlosch. »Deine Zunge spricht wahr.«
Tyrus unterdrückte einen Seufzer der Erleichterung.
Der Stein Magus hob die Hände und schlug sie vor das Gesicht. »Nimmt diese Qual denn niemals ein Ende?«
Tyrus trat näher. »Noch ist nicht alles verloren. Du brauchst den Bann, der meine Männer fesselt, nur zu widerrufen.«
Der Magus stolperte auf der anderen Seite ein paar Schritte hangabwärts. »Das kann ich nicht.« Es war ein erstickter Aufschrei.
Tyrus folgte ihm. »Warum nicht?«
Der Magus schaute über die Schulter. »Es gibt keine Möglichkeit, den Bann zu lösen. Ist er einmal gewirkt, so lässt er sich nicht mehr aufheben. Deshalb kehre ich regelmäßig in das Städtchen zurück.«
Tyrus sah ihn fragend an. Nur allmählich begann er zu begreifen. »Die versteinerten Bewohner … das Feuer …«
»Ein tragischer Irrtum …« Die Steinschultern des Magus sanken herab. »Vor zwei Wintern wurde die Stadt von Hundsfott Soldaten und Ungeheuern angegriffen. Gegen Ende des Kampfes rief man mich zu Hilfe. Ich stand in dem Park und wirkte meine Magik. In meiner blinden Wut über das Morden und Plündern bemerkte ich nicht, wie meine eigene Energie ringsum den Boden durchtränkte. Die Bewohner der Stadt wurden ausgerechnet da zu Stein, wo sie Zuflucht gesucht hatten.«
Der Magus schüttelte den Kopf. »Ich zerschlug die Statuen der Angreifer, begrub die Toten und entzündete ein Feuer, zum Zeichen, dass die Stadt mein war, und um all jenen, die ich zu Unrecht gefangen genommen hatte, Licht und Wärme zu spenden. Mehr kann ich nicht tun. Die Drak’il rückten vergangenen Winter ein. Solange sie dem Park fern bleiben, überlasse ich ihnen die
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