Alasea 05 - Das Buch der Entscheidung
ein Schlag durch ihren Körper ging und sie auf den Beinen war, ohne dass sie gemerkt hätte, wie sie aufgestanden war. Magik strömte in die Klinge und ließ sie hell aufleuchten.
Von drei Seiten rasten Blitze auf Elena zu. Das Schwert parierte ohne ihr Zutun jeden einzelnen, schlug ihn beiseite oder entzog ihm die Energie und speiste damit ihre eigene Magik. Sie tanzte durch die ganze Höhle, schlug Finten und wehrte die Angriffe der dreifachen Übermacht mühelos ab.
Ihre Gefährten erhielten eine Atempause. Die Geister hatten mehr als genug damit zu tun, sie selbst in Schach zu halten.
Und Elena tanzte weiter. Ihre Füße entwickelten eine Geschicklichkeit, die nicht aus ihr selbst kam, und ihr Arm wurde von einer Magik bewegt, die sie nicht gerufen hatte. In den Tiefen ihres Bewusstseins regte sich eine Erinnerung. Sie kannte diese Kraft: Gegen ihre Tante Mikela hatte sie einmal mit einer Waffe gekämpft, die mit ihrem eigenen mit Magik gesättigten Blut benetzt war. Die Verbindung von Stahl und Fleisch hatte ihr eine ungeahnte Sicherheit gegeben, doch die Erfahrung verblasste neben dem, was jetzt mit ihr geschah.
Schattenklinge war aus Elementarstahl und mit dem Blut ihrer Ahnfrau Svesa’kofa geschaffen worden. Somit war Elena nicht nur mit dem Stahl verbunden, sondern auch mit den Kräften einer Hexe aus alter Zeit.
Die grellen Blitze raubten ihr fast die Sicht. Was sie mit ihrem Schwert abwehrte, fuhr in Wände und Decke. Steine stürzten herab. Die Gefährten wichen an die Höhlenwände zurück. Sie hatten begriffen, dass dieser Kampf zwischen Elena und den drei Geistern ausgetragen werden musste.
Ein Lächeln entstand auf ihren Lippen.
Von hinten rief jemand: »Elena …« Es war Er’ril, er klang benommen. »Das Schwert … eine Blutwaffe.« Seine Stimme gewann an Kraft. »Es ist nur Stahl. Du musst es beherrschen.«
Sie schlug die Warnung in den Wind. Sie war völlig Herrin der Lage. Mit einer kurzen Bewegung des Handgelenks wehrte sie einen Blitz ab und schleuderte ihn zurück. Die tödliche Kraft traf die Granitwand unterhalb des Bogens und löste einen Hagel von Steinsplittern aus.
War das etwa kein Beweis, dass sie das Schwert beherrschte?
Ihr Lächeln wurde breiter, sie zeigte die Zähne. Die Magik sang in ihrem Blut, klirrte ihr wie Stahl in den Ohren. Mit der Rückhand schlug sie einen weiteren Blitz zurück. Auch der fuhr in die Wand. Sie wurde mit jedem Atemzug stärker.
Ein Schmerzensschrei drang zu ihr, kaum hörbar.
»Elena!« Das war wieder Er’rils Stimme. Jetzt schrie er sie an. »Pass auf, was du tust!«
Sie schüttelte auch diese Warnung ab. Sie wusste doch, was sie tat.
»Höre auf dein Herz! Denk an die Frau in dir!«
Langsam drangen die Worte in ihr Bewusstsein und weckten die Erinnerung an eine längst vergangene Szene. Es war auf einem Gebirgspass nicht weit von hier. Sie hatte im unberührten Neuschnee gestanden, die rubinrote Rechte und die blasse Linke aneinander gelegt und die Hexe mit der Frau verflochten. In diesem Augenblick hatte sie ihre Macht anerkannt und die Last der Verantwortung auf sich genommen. Und sie hatte beschlossen auf gewisse Dinge nicht zu verzichten: weder auf ihr Herz noch auf ihre Menschlichkeit noch auf die Fähigkeit zu lieben.
»Er’ril …«
»Vertraue auf dein Herz … nicht auf den kalten Stahl …«
Langsam lüftete sich der Schleier vor ihren Augen. Zu ihren Füßen schlug ein Blitz ein. Sie wurde nach hinten gestoßen, stolperte und schrie auf. Sie sah die Welt wieder scharf. Die vollkommene Mischung aus Magik und Stahl zerbrach in tausend Scherben.
Tol chuk hing noch immer zwischen den beiden Pfeilern des Herzsteinbogens. Rechts und links von ihm hatten die von ihr zurückgeschleuderten Blitze tiefe Furchen in die glatte Granitwand gerissen. Elena hatte ihren Og’er Freund nur um Armeslänge verfehlt.
Neue Blitze jagten auf sie zu. Sie wehrte sie mit der Klinge ab, überließ sich dem Schwert aber nicht mehr bedingungslos, sondern suchte auf Kosten ihrer Geschicklichkeit einen Mittelweg. Schläge durchzuckten sie, drohten ihr die Waffe zu entreißen. Die Siegesgewissheit verebbte. Elena ahnte, dass sie sich nur bis zur Pforte durchkämpfen könnte, wenn sie dem Schwert freie Hand ließe, doch dann liefe sie Gefahr, sich selbst und alles um sich herum zu verlieren. Der Stahl wusste nichts von Liebe, er wollte nur den Sieg.
An der Pforte bewegte sich etwas. Unter Tol’chuks Füßen, hinter einem Schutthaufen am Fuß der
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