Alasea 05 - Das Buch der Entscheidung
der Wirklichkeit.
Dann flammte ein Blitz auf, der alles zerstörte. Die Explosion erhellte den ganzen Schacht. Elenas Umhang und ihr Haar bewegten sich. Etwas stieg von unten herauf und ging durch sie hindurch. Jetzt. Ein einziger Ton, der ihr ganzes Wesen in Schwingungen versetzte.
Aufatmend entlud sie ihre ganze Magik in das Buch in ihren Händen. Hexenfeuer und Kaltfeuer vereinigten sich zu einem Blitz, so grell und heftig wie der von unten. Die Magik fuhr in den Einband, den uralten Bann, die Seiten. Doch Elena war noch so weit mit ihren Kräften verbunden, dass sie spürte, welchem Irrtum sie erlegen war.
Entgeistert starrte sie auf ihre Hände. Sand rieselte ihr durch die Finger. Sand … Es war nicht das Buch des Blutes gewesen, sondern nur ein Trugbild.
Sie hob die Augen, fuhr herum. »Joach!«
Ihr Bruder fiel auf die Knie. Für den Bruchteil eines Herzschlags begegneten sich ihre Blicke dann wurde Elena von der Druckwelle der Magik erfasst und fortgerissen.
Er’ril sprang auf Elena zu, als er ihren Schrei hörte. Aber von unten schoss ein gewaltiger Lichtstrahl herauf und erfasste den ganzen Boden. Mit ihm kam eine Kraft, die ihn von den Füßen riss, an die Wand schleuderte und dagegen presste. Für einen Moment erstrahlte der Energiezusammenfluss wieder in einem Silberglanz von blendender Helligkeit. Eine gewaltige Druckwelle raste nach außen und drohte, ihm die Seele vom Körper zu trennen. Die Spannung drohte ihn zu zerreißen.
Eine solche Kraft war nicht einmal in dieser riesigen Höhle zu halten.
Etwas gab nach nicht in ihm selbst, sondern in der Welt.
Der Druck verschwand, Er’ril glitt die Wand hinab und landete wie die anderen auf dem Steinboden. Er sah sich um. Alle waren vor Angst wie erstarrt.
Tol chuk kam als Erster wieder auf die Beine. Er starrte nach oben. Andere folgten seinem Blick. Die Höhlendecke war nicht mehr da sie war nicht heruntergekracht, sondern einfach spurlos verschwunden. Hoch über ihnen spannte sich der Nachthimmel. Vereinzelte Wölkchen zogen darüber hin. Die Sterne funkelten. Das Silberrund des Vollmondes befand sich auf halbem Wege zum Horizont.
Merik brach das benommene Schweigen. Seine Stimme klang gedämpft, als spräche er durch Wasser. »Wo ist Elena?«
Er’ril wusste keine Antwort. Der Boden war wieder schwarz geworden. Elena war verschwunden, so spurlos wie die Decke über ihnen. Er ging auf Joach los. »Was hast du getan?« Er hatte streng sein wollen, aber es klang wie ein Wutschrei. »Was hast du getan?«
Joach ließ den Ausbruch des Präriemannes widerspruchslos über sich ergehen. Was blieb ihm auch anderes übrig seine Beine gehorchten ihm nicht mehr. Er lag auf den Knien und ließ den Kopf hängen. Die anderen nahm er kaum wahr. Im Geiste sah er noch immer Elenas Gesicht vor sich, ihren fassungslosen Blick. Dann … dann war sie verschwunden. Die Magik Explosion aus der Tiefe hatte sie verschlungen, sie binnen eines Herzschlags einfach aufgezehrt.
Er schlug die Hände vor das Gesicht. Die Trauer wurde übermächtig. Er hatte keine Tränen mehr.
»Was hast du getan?« Er’ril packte ihn an den Schultern und zerrte ihn hoch. Wieder wurde er gegen die Wand geschleudert, aber diesmal nicht von Magik Kräften, sondern von schlichter Wut.
Joach holte das Buch des Blutes unter seinem Umhang hervor. »Ich konnte nicht …« Die Worte blieben ihm im Halse stecken.
Er’ril ließ ihn los und entriss ihm das Buch. Joach sank zu Boden.
»Dafür?« schrie Er’ril. »Dafür hast du deine Schwester geopfert!«
Joach hob den Kopf nicht mehr. Er war zu schwer. Das Herz lag ihm wie ein Stein in der Brust, nahm ihm den Atem, drückte ihn nieder.
»Sieh es dir an!« Er’ril schlug das Buch auf und wedelte ihm damit vor dem Gesicht herum. »Du hast sie umsonst getötet.«
Joach verstand ihn nicht. Dann sah er, dass die Seiten mit unzähligen Zeilen in krakeliger Tintenschrift bedeckt waren. Die Leere war verschwunden.
»Es ist wieder das Tagebuch meines Bruders!« Haltlos schluchzend, sank Er’ril vor Joach auf die Knie. Die Wut war verraucht, der Schmerz übermannte ihn. Er warf das Buch von sich. »Es hat seine Magik verloren. Was immer du haben wolltest, es ist nicht mehr da.«
Beide wussten, was das bedeutete. Elena war wahrhaft tot.
Er’ril sah Joach aus feuchten Augen an. »Warum?«
Elenas Bruder schüttelte den Kopf. Es gab keine Antwort auf diese Frage. Er konnte sein Verhalten nicht erklären. In seinem Herzen lauerte eine dunkle Gier.
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