Alasea 05 - Das Buch der Entscheidung
Zu Anfang war es Liebe gewesen, aber Trauer und Schmerz, Machtgier und Stolz hatten das schöne Gefühl verdorben. Er hatte einem Phantom nachgejagt und dabei diejenigen verraten, die ihn wahrhaft liebten.
Er starrte Er’ril an, aber er sah ihn nicht mehr. Er sah Elena. Bevor sie verschwand, hatte er nicht nur Angst und Verzweiflung in ihren Augen gelesen, sondern auch etwas, das ihn noch mehr quälte: Verständnis und Liebe.
Joach schloss die Augen … und er verschluss sein Herz.
Er hatte seine Schwester verloren.
Lichtkaskaden ergossen sich wie Wellen im Sturm durch die Weiten des Nichts … Sterne bewegten sich in einem Tanz, der sich der Zeit entzog und ihr zugleich Grenzen setzte …
Elena trieb im Chaos mit seinen besonderen Mustern. Sie war zu groß, zu ausgedehnt. Niemand konnte sie sehen.
… glühende Wolken aus kleinen Fünkchen schwirrten in wilder Drehung um ein winziges Herz herum … Fundamentalkräfte spielten in seinem Kern und ließen die Grenzen zwischen Energie und Materie verschwimmen … Ein Körnchen verband sich mit vielen anderen zu einem einzelnen Stückchen Granit.
Sie war umgeben von Einfachheit und Komplexität. Sie war ein Stäubchen im Urstoff des Lebens. Niemand wusste, dass sie da war, nicht einmal sie selbst.
Sie überspannte die Kluft zwischen dem unendlich Großen und dem unendlich Kleinen und bewahrte sich dabei einen Rest von Bewusstsein.
Ich bin, dachte sie.
Macht durchströmte sie und trieb sie weiter nach außen und weiter nach innen. Würde sie jemals aufhören zu fließen? Nahm das Dasein nie ein Ende? Wurde sie kleiner, zerfiel die Form zu Energie. Wurde sie größer, nahm die Energie Form an. Sie gab dem unendlichen Nichts einen Namen: die Leere. Und sie füllte diese Leere mithilfe einer Energie, die ihr Äußeres versilberte und sie von innen heraus funkeln ließ.
Aus dem Nichts war sie geboren, und nun war sie dorthin zurückgekehrt.
Während sie über diese neue Sichtweise nachdachte, drang eine Stimme zu ihr. Elena.
Sie gab der Stimme einen Namen, denn sie kannte sie so gut wie sich selbst. Cho.
Ein Wirbel aus Mondlicht sprach zu ihr. Die Zeit ist gekommen, Elena. Ich bin am Ende angelangt, habe es bereits erreicht. Du musst nun wählen zwischen der Welt und dir selbst.
Ihr Selbst füllte die Winkel ihres Bewusstseins. Und mit ihm kam die Erinnerung. Ich darf nicht, antwortete sie. Ich darf nicht wählen.
Die Stimme wurde leiser. Dann wird dir die Entscheidung abgenommen. Du wirst dich weiterhin durch die Leere ausbreiten und eingehen in die Harmonie des Nichts. Du musst wählen.
Die Worte entfachten ein Flämmchen Angst. Alte Warnungen klangen Elena in den Ohren. Und ein Ratschlag:
Höre auf dein Herz.
Höre auf die Freunde, die ihm nahe stehen.
Dann suche deinen eigenen Weg aus der Finsternis
einen Weg, den niemand finden kann außer dir.
Im Geiste wiederholte sie diese Mahnung wieder und wieder, bis ihr Wunsch Wirklichkeit wurde. Sie stand in einem Raum, der zum Himmel hin offen war. Andere Gestalten scharten sich um sie. Doch keiner konnte sie sehen. Sie war von Geistfeuer umhüllt, wabernde Lohen schlugen an ihr empor. Sie schwebte eine Handspanne über einem schwarzen Boden.
Zwei Männer kämpften miteinander, fielen beide auf die Knie.
Höre auf dein Herz.
Elena gab auch den Männern Namen, denn sie wohnten in ihrem Herzen. Joach … und Er’ril.
Höre auf die Freunde, die ihm nahe stehen.
Sie wandte sich den anderen zu und erkannte auch sie. Sie konnte sie auf allen Daseinsebenen sehen, vom festen Körper bis hinunter zum Nichts. Zwischen diesen beiden Zustandsformen leuchtete silbrige Energie, die Lebenskräfte. Bei manchen strahlte diese Grundenergie heller, elementarer, bei anderen war sie schwächer. Doch bei allen war sie von einer atemberaubenden Schönheit.
Eine Gestalt zog ihre Aufmerksamkeit wieder auf sich.
Er’ril.
Er erfüllte ihr Herz und ihr Blickfeld. Er hatte sie schon einmal gerettet, hatte sie mit seiner Berührung, seiner Liebe ins Leben zurückgeholt. Doch diese Macht war zu stark. Diesmal konnte er ihr nicht helfen.
Suche deinen eigenen Weg aus der Finsternis.
Hier war sie wirklich und wahrhaftig allein. Eingefroren in der Zeitlosigkeit, schaute sie noch einmal von einem zum anderen. Sie sah das Gespinst der Lebenskräfte, das sie alle verband und sich weiter nach draußen spannte, griff aus mit einer Faser ihrer eigenen Energie und berührte einen der vibrierenden Fäden.
Sie wurde mitgerissen und war
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