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Alasea 05 - Das Buch der Entscheidung

Alasea 05 - Das Buch der Entscheidung

Titel: Alasea 05 - Das Buch der Entscheidung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Clemens
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hören. Das Baumlied, dachte sie staunend.
    »Die Blüten leuchten«, flüsterte Er’ril.
    Elena zwang sich, über das silbrige Energiefeuer hinwegzuschauen. Die schwarzen Blüten leuchteten tatsächlich durch die Nacht. Inmitten der Blütenblätter öffneten sich feurige Kelche, so rot wie flüssiges Gestein.
    Vom Baum her waren Schreie zu hören. Erst leise, dann immer lauter. Doch es waren keine Klagerufe, sondern befreiter Jubel.
    »Was geht hier vor?« fragte Er’ril. Hinter ihm griffen die Gardisten nach dem Pech und den Fackeln.
    Mit ihrem magikgeschärften Blick sah Elena aus jeder Blüte Energiesalven schießen und in die Lüfte entschweben, azurblaue Leuchtkugeln, die sich von der silbrigen Elementarenergie der erd und wurzelgebundenen Magik deutlich unterschieden. Das war eine neue Erscheinung. Die Stimmen kamen aus diesen leuchtenden Blasen.
    Ni’lahn beantwortete die Frage des Präriemannes. »Die Blüten … Sie setzen in kleinen Mengen Lebensenergie frei. Ich höre den Gesang der erlösten Seelen.«
    »Ich kann die Energie sehen«, sagte Elena. »Sie bewegt sich auf den Vollmond zu.« Sie verfolgte den Strom der Lebenskräfte auf seinem Weg zum Mond.
    »Sie kommt von den Grim«, flüsterte Ni’lahn. Es klang nicht entsetzt, sondern andächtig. »All die vielen Leben, die meine Schwestern in sich aufgenommen haben, werden jetzt endlich wieder freigesetzt.« Ihre Stimme wurde noch leiser. »Kein Wunder, dass Cäcilia so erbittert um ihren Sohn gekämpft hat
    sie muss es gewusst haben. Dies soll wohl eine kleine Wiedergutmachung sein für all das Unglück, das von den Blutgespenstern ausging.«
    Die leuchtenden Kugeln schwebten immer weiter in den Abendhimmel empor.
    Merik half Ni’lahn auf. Gemeinsam traten die beiden näher an den Baum heran.
    Elena gesellte sich zu ihnen, und alle drei beobachteten als stumme Zuschauer die Befreiung der Seelen der Verstorbenen. Elena konnte das Schauspiel zweifach genießen. Sie bewunderte den Baum in seiner Blütenpracht. Gleichzeitig betrachtete sie ihn im Feuer seiner Energien, sah die Fäden, die ihn mit Rodricko verbanden, sah den Fluss geistiger Kraft himmelwärts strömen.
    »Die Blüten verändern sich«, bemerkte Er’ril neben ihr.
    Jede Blüte wechselte, sobald sie die azurblaue Energie restlos abgegeben hatte, ihre Farbe. Die nachtschwarzen Blütenblätter wurden violett wie richtige Koa’kona Blüten. Nur die feurigen Kelche blieben erhalten, ein Andenken an die Sühne, die in dieser Nacht geleistet worden war.
    Erleichtert sah Elena den Silberfluss auf dem Gesang des Jungen in den Nachthimmel entschwinden.
    Da holte Harlekins schrille Stimme sie jäh in die Gegenwart zurück. »Der Mond!« rief er besorgt. »Was ist denn mit dem Mond los?«
    In der Bibliothek saßen sich Saag wan und Bruder Ryn an einem Tisch gegenüber. Der Mönch in der weißen Kutte beugte sich tief über das Schwarzsteinei. Ganz vorn auf seiner Nasenspitze saß eine Brille, und dazu hielt er noch eine dicke Linse in der Hand. »Sehr merkwürdig«, murmelte er. »Sieh dir das an, mein Kind.«
    Sie trat zu ihm. Die beiden hielten sich schon den ganzen Nachmittag in der großen Bibliothek der Burg auf und suchten in verstaubten Schriftrollen und rattenzerfressenen Folianten nach Hinweisen auf solche Gebilde, hatten aber bisher kaum etwas erfahren, was sie nicht schon wussten. Der Stein nährte sich von Blut und speiste damit eine uralte, bisher noch kaum erforschte Magik, keine Elementarenergie, aber auch nicht chirischen Ursprungs wie das Wehr.
    Endlich hatten sie beschlossen, sich mehr mit dem Ei selbst zu beschäftigen. Das Logbuch des Kapitäns lag immer noch zum Trocknen vor dem Kamin. Der leitende Bibliothekar hatte ihnen abgeraten, es zu öffnen, solange es noch nass war. »Die Tinte würde mit Sicherheit verwischen. Bevor ihr ans Lesen auch nur denken könnt, darf es zwischen den Deckeln keine feuchte Stelle mehr geben.«
    Saag wan warf einen Blick auf das Logbuch. Es lag auf einem Ständer neben dem Feuer, weit genug entfernt, um nicht in Brand zu geraten, aber so nahe, dass es genügend Wärme bekam. »Nicht vor morgen früh«, hatte der Bibliothekar noch gewarnt, bevor er ging. »Und auch dann noch nicht unbedingt.«
    Bis dahin war das Ei ihre einzige Informationsquelle.
    Bruder Ryn rieb sich mit der Hand den kahlen Schädel. »Wir wissen immer noch viel zu wenig über das Material, diesen schwarzen Stein. Aber sieh dir das an«, sagte er, reichte Saag wan den flachen

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