Alasea 05 - Das Buch der Entscheidung
bläulich blasses Gesicht leuchtete im Schein der Fackeln.
»Was willst du?« herrschte Er’ril ihn an.
Harlekin zog achselzuckend seine bereits gestopfte Pfeife aus der Tasche und zündete sie gemächlich an. »Ich habe von dem Jungen und seinem Baum gehört und dachte, ich kann vielleicht behilflich sein.«
»Wir haben mehr als genug Helfer«, wehrte Er’ril unfreundlich ab.
»Vielleicht wollte ich auch nur einen Spaziergang im Mondschein machen.« Der Tabak hatte Feuer gefangen. Harlekin drehte sich so weit zur Seite, dass er dem Präriemann den Rücken zuwandte.
Elena warf ihrem Paladin einen wütenden Blick zu und fasste Harlekin am Arm. Er hatte ihr Zimmer so abrupt verlassen, dass sie keine Gelegenheit gefunden hatte, sich dafür zu bedanken, dass er so viel auf sich genommen hatte, um ihr die schlimme Botschaft zu bringen. Jetzt wollte sie zumindest sein Angebot gebührend würdigen. »Ich danke dir«, sagte sie.
Er nickte. Seine goldenen Augen waren wie immer unergründlich. Hinter ihm wurde das große Tor krachend aufgerissen, und ein schwarzer Schatten betrat den Hof. Elena bekam es für einen Moment mit der Angst zu tun.
Harlekin sah über die Schulter. »Ist das nicht dein Bruder?«
Er hatte Recht. Sie hatte selbst einen Pagen geschickt, um Joach holen zu lassen. Von allen hier verstand ihr Bruder am meisten von schwarzer Magik. Sollte tatsächlich Unheil drohen, konnte sein Rat von Wert sein.
Ihr Bruder schleppte sich mühsam vorwärts und stützte sich schwer auf seinen Stab.
»Sieht eher aus wie dein Großvater«, murmelte Harlekin, ohne die Pfeife aus dem Mund zu nehmen.
Joach hatte die Worte des kleinen Mannes nicht gehört. Elena indes bemühte sich, keine Miene zu verziehen, obwohl sie der Anblick ihres greisen, hinfälligen Bruders immer wieder von neuem erschütterte. »Ich danke dir, dass du gekommen bist, Joach.« Sie stellte ihm Harlekin Qual vor.
Ihr Bruder nickte und betrachtete den Fremden derart misstrauisch von oben bis unten, dass Elena sich fragte, wer hier mehr Feindseligkeit ausstrahlte, Er’ril oder Joach.
»Was gibt es denn, Elena?« fragte er endlich und wandte sich wieder ihr zu.
Sie erklärte ihm kurz, was geschehen war. Joach kniff die Augen zusammen und spähte aufmerksam zu dem Baum hinüber.
»Es war gut, dass du nach mir geschickt hast«, sagte er, als sie geendet hatte. »Ich weiß nicht, welche Magik in diesen schwarzen Knospen lauert, aber wir sollten auf der Hut sein.«
Auch Elena betrachtete nun wieder den Baum. »Wir haben unsere eigene Magik und auch andere Waffen.«
Joach erfasste mit einem Blick die Äxte und die Pecheimer. »Gut, gut.« Er rieb die Hand an seinem Stab. Elena bemerkte erst jetzt, dass er einen Lederhandschuh trug. Seit Joach gealtert war, wurde er immer verfrorener.
Ni’lahn trat mit Rodricko zu ihr. »Es wird Zeit. Der erste Vollmond dieses Sommers ist bereits zu sehen.«
Elena warf einen Blick über die Burgmauern. Der silberne Mond war schon zur Hälfte aufgegangen. Jetzt würde es nicht mehr lange dauern. Sie zog ihre Handschuhe aus und entblößte die rubinrote Rose ihrer Magik. Über beide Hände wirbelten tiefrote Spiralen. Elena ballte die Fäuste und zwang die wilde Magik hinein, die in ihrem Blut sang. Der Chor der Macht schwoll an. Sie hielt mit ihrem Willen dagegen, machte sich die Macht Untertan. Ihre rechte Faust erstrahlte im roten Feuer der aufgehenden Sonne, die Linke nahm die bläulichen Töne des Mondes an: Hexenfeuer und Kaltfeuer.
Aus ihrem Gürtel zog sie einen Silberdolch mit Rosenknauf ihren Hexendolch und schickte sich an, mit seiner Klinge ihre Magik freizusetzen und die gewaltige Energie der Leere in diese Welt zu leiten.
Doch zunächst ritzte sie sich nur eine Fingerspitze, schloss die Augen und betupfte die Lider mit Blut. Sie spürte das vertraute Brennen, dann zuckte ein greller Blitz über die Innenseite. Sie schlug die Lider wieder auf und sah die Welt mit anderen Augen. Im Grunde hatte sich nichts verändert, nur konnte sie dank des Blutbanns jetzt die unsichtbaren Bahnen der Magik und das silbrige Flämmchen des Elementarfeuers in Ni’lahn und Merik und sogar in dem kleinen Jungen erkennen.
Aber was sie fesselte, war der Baum.
Unter dem Holz und dem grünen Laub loderte ein inneres Feuer. Kraftströme wogten durch den Stamm nach oben, verzweigten sich mit den Ästen und mündeten in die Blütenstängel. Reine Elementarenergie, erd und wurzelgebundene Magik, die direkt aus dem Land
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